Samstag, 13. April 2013

Halo! - Bali - Wochen 1 und 2


Bangkok nach Denpasar.


„Du glaubst also daran, dass du bereits 3000 mal wiedergeboren wurdest?“ „Ja, ich bin mehr als 3000 mal wiedergeboren und versuche in diesem Leben dem Zustand der allumfassenden „spirit-consciousness“ wieder ein Stück näher zu kommen.“ „Und, glaubst du, du wirst es in diesem Leben schaffen?“ Yande muss lachen. „Das weiß ich noch nicht.“

Yande Ardana ist Balinese, Erstgeborener und unser Tourguide für einen Tag hier auf der Insel. 17 Stunden verbringen wir zusammen, in denen er uns das Leben auf Bali abseits der Touristenorte und Surfer-Strände zeigt. Und das ist nunmal stark von religiösen Ritualen und Traditionen geprägt, weshalb wir uns mit Yande immer wieder über die für uns Westler fremden hinduistischen Glaubenswelten unterhalten.


Dabei wären wir fast gar nicht nach Bali gekommen. Am 01. April sollte unser Flug mit Thai-Airways von Bangkok nach Denpasar gehen. Die thailändische Hauptstadt verabschiedete uns mit strahlend blauem Himmel, während uns eines der gelben Taxen zum Flughafen Suvarnabhumi brachte. Im Ranking der weltweit größten Flughäfen belegt er den 17. Rang und dementsprechend lang waren die Warteschlangen vor den Check-In Schaltern von Thai. Als wir nach einer Stunde an der Reihe waren und zur Ticketbestätigung unsere Reisepässe abgaben, kam die Überraschung: Es gab keine Buchung für uns für den Flug nach Bali. Wir hätten schon am 25. März fliegen sollen. Ursprünglich war das auch so geplant, aber wir haben bereits vor zwei Wochen über die Reiseagentur unseres Vertrauens die Umbuchung vornehmen lassen, die bereits von Delhi nach Bangkok problemlos geklappt hat. Unklar wo der Fehler lag, gab es ein paar längere Telefonate und Gespräche. Am Ende hatten wir Glück, dass der Flieger nicht ausgebucht war und die professionelle Thai-Mitarbeiterin uns daher zwei Plätze besorgen konnte. Im Laufschritt ging es dann durch die Sicherheitskontrolle, zum Tauschen der restlichen Baht in indonesische Rupiah und als eine der Letzten in das bereits wartende Flugzeug.


Bali ist eine der kleineren Inseln des riesigen indonesischen Inselstaats. In Luftlinie ist sie 95km lang und 145km breit. Die meisten Siedlungen befinden sich im Süden, da zum Norden hin die Landschaft in eine vulkanische Gebirgskette übergeht. 93% der knapp 4 Mio. Einwohner sind ungewöhnlicherweise Anhänger des Hinduismus und machen Bali zu der Region mit den meisten Hindus außerhalb von Indien und Nepal. Ungewöhnlich ist dieser Umstand, weil sich Bali in einem Indonesien befindet, das überwiegend von Moslems bewohnt wird und dass das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt ist.


Gesprochen wird auf Bali natürlich Indonesisch, ein wichtiger einigender Faktor für ein Land, das aus über 16.000 (!) Inseln besteht. Indonesisch hat sich aus dem Malaiischen entwickelt, gleichzeitig viele Wörter aus Fremdsprachen übernommen und benutzt lateinische Schriftzeichen. Das „Halo!“ zur Begrüßung kommt uns natürlich sehr vertraut vor. Unser Loose-Reiseführer verdeutlicht mit einem Beispiel diese interessante Mischsprache: „Wenn ein jerman intelektual mit viel emosi im Restoran am telepon hängt, um vom imagrasi (birokrasi) endlich den pas und die permisi für den impor von einem mobil zu kriegen. Doch der agen polisi hat eine infeksi und ist mit dem taksi zum dokter und zur apotik.“ Neben Indonesisch wird auf Bali aber eigentlich Balinesisch gesprochen. Eine komplett andere Sprache, deren Schriftzeichen eher dem Thailändischen ähneln.


Für uns sind die Tage auf Bali aber vor allem eins: Entspannung. Es tut zur Abwechslung mal gut, für längere Zeit an einem Ort zu bleiben und nicht jeden Tag die Rucksäcke aus- und wieder einzupacken. Deshalb haben wir uns in der Siedlung Legian, an der Grenze zu Seminyak einquartiert. Die beiden Strandabschnitte liegen im Südwesten der Insel nördlich vom Touristenhotspot Kuta. Alle drei, mittlerweile zusammengewachsene, Städte zeichnen sich durch einen kilometerlangen Sandstrand und viele Hotels aus. Überall gibt es Surfschulen am Strand, die einem das Reiten auf den kontinuierlich hereinbrechenden Wellen beibringen möchten. Während in Kuta im Allgemeinen am meisten Trubel herrscht, im positiven wie negativen Sinne, wird es ruhiger je weiter nördlich man kommt, dafür aber auch teurer. Unsere Anlage heißt „Puri Damai“ und vermietet nur 8 Einzel- und 4 Familienapartments.


In der ruhigen (wenn man nicht die Unterkünfte zur Straße hin hat) und netten Anlage gibt es einen kleinen Pool 


und jedes Apartment ist mit einer eigenen nach draußen offenen Küche mit Gasherd, Kühlschrank und Geschirr ausgestattet. Wir konnten endlich mal wieder Lebensmittel einkaufen und selbst kochen.

Aber Bali kann nicht nur entspannend sein. Jeder, der hier einmal an der Strandpromenade oder in der Straße vor seinem Hotel entlanggegangen ist, kennt es und es gibt nur wenige, die nicht an einem Punkt unfassbar genervt sind. Alle fünf Meter wird man angesprochen, jemand möchte dir etwas verkaufen oder dich in sein Geschäft winken oder dich auf seinem Moped mitnehmen. Die vorbeifahrenden Taxen hupen um deine Aufmerksamkeit um die Wette. Jedes dritte Geschäft scheint ein Spa oder ein Massagesalon zu sein und die Damen kreischen dir, eine lauter als die andere, die Wörter „Massage!“ oder „Pedicure!“ oder „Manicure!“ entgegen. Die TOP-3 Sprüche, die, wir gehen jede Wette ein, jeder Balireisende jeden Tag hier zu hören bekommt, sind in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit: Nr. 3: „Excuse me Boss! Have a look in my shop!“ Nr. 2: „My friend! Need transportation?“ Und die Nr. 1, der Klassiker und zeitlos gut: „Hello! Yes?! OKAY!?!“ Das Nervigste an Letzterem war dabei sogar, dass völlig unklar blieb, was einem überhaupt verkauft werden sollte.


Doch all das ist wieder vergessen, wenn man sich mit dem Surfbrett in der Hand durch die schaumigen Wellen Meter um Meter nach draußen ins Meer vorkämpft, sich in der Pause zwischen zwei Wogen aufs Board wirft und umdreht und die wenigen Sekunden auskostet, die man dann auf dem Surfbrett steht, vielleicht sogar die Welle entlang steuert, bevor das Meer beschließt, dass es genug gesehen hat und dir eine Salzwasserspülung verabreicht. Und weil das so viel Spaß macht, kämpft man sich immer wieder aufs Neue hinaus. Alleine oder bucht, so wie wir es gemacht haben, in einer der Surfschulen Surfunterricht. Wir können guten Gewissens Paul's „Up2U Surf School“ empfehlen, die es geschafft hat, nach 90 Bewertungen 5 Sterne bei tripadvisor zu haben und dass sogar Walter bei jeder zweiten Welle auf dem Board stehen konnte.

Das Leben in Bali spielt sich jedoch nicht nur am Strand und in den Straßen mit den Händlern ab, die von den Touristenmassen angelockt wurden. Deshalb finden wir irgendwie die Kraft an einem Sonntag um 03:15 Uhr aufzustehen, einen Kaffee zu trinken und vor dem Hotel auf Yande zu warten. Er holt uns mit seinem Auto ab und wir fahren auf den schmalen Straßen die Berge in Richtung Norden hinauf. Wir mussten um 04:00 Uhr los, um rechtzeitig im Bergdorf Kintamani zu sein und dort den Sonnenaufgang zu erleben. Von einer Gebirgsstraße konnten wir dann am Horizont den mit 3000m Höhe größten Berg und Vulkan der Insel, den Gunung Agung, sehen. Er ist zuletzt 1963 ausgebrochen. Die Balinesen glauben, dass er der Sitz der Götter ist. Links von ihm liegt in einem tiefen ehemaligen Vulkankrater der Batur-See. Der See wird von dem anderen großen und viermal im 20. Jahrhundert aktiven Vulkan Gunung Batur eingerahmt.


Erstaunlicherweise waren wir um diese frühe Uhrzeit in dem kleinen einheimischen Bergdorf nicht allein. Die Straße waren voller Autos und Menschen, die lächelnd und neugierig unsere Stative bestaunend an uns vorbeigingen. Sie waren auf dem Weg zu einem wichtigen Tempel, der sich ganz in der Nähe befand. Die Männer trugen ihre festliche weiße Bekleidung und das weiße Stirntuch, genannt „Udang“, und die Frauen balancierten (ohne die Hände zu benutzen) auf ihren Köpfen die Körbe mit den Opfergaben. Diese waren gefüllt mit Räucherstäbchen, Obst und kleinen Schälchen aus Bananenblättern. Es ist gerade das Fest von Galungan und Kuningan zu Ende gegangen, eine zehntägige Feier zu Ehren der Schöpfer der Welt. Dabei gilt, die zur Erde herabgestiegenen Götter mit Opfergaben willkommen zu heißen.


Nach dem Sonnenaufgang sind wir mit Yande auch in den Tempel gegangen. Damit die Knie bedeckt sind, bekommt auch Walter ein traditionelles Tuch um die Hüften gebunden. Christina muss als Frau sowieso langärmlige Kleidung tragen. Im Tempel sehen wir Statuen zu Ehren von Shiva, die es in ähnlicher Form in den Tempeln der Cham im Dschungel vor Hoi An gab, Ganesh-Figuren, der menschliche Körper mit Elefantenkopf, und erfahren, dass der wichtigste Schrein im Tempelgelände immer derjenige ist, der kein Dach hat. 


Yande führt hier seine kleine Einführung in das balinesisch-hinduistische Denken fort. Das Wichtigste für die Balinesen sei immer das Herz. Der Kopf habe zwar meistens die Kontrolle, aber es gelte ihn auszuschalten bzw. zu kontrollieren und das Herz regieren zu lassen. Das bedeutet, dass man sich frei von negativen Gefühlen, wie Eifersucht oder Gier, machen solle. Um das zu erreichen, müsse man meditieren. Die göttliche Energie durchflute den Körper von oben durch den Kopf und fließe in einem Gang an der Wirbelsäule hinunter. Je größer das meditative Können, desto breiter könne der Kanal fließen. Hindernisse sind die drei Knoten, drei große Druckpunkte, die es zu lösen gilt. Einer sitzt in der Stirn, der zweite in der Brust und der dritte im Steiß. Auf diesem Wege könne man sich dem Zustand der „spirit-consciousness“ nähern.

Vom Tempel fahren wir runter zum Kratersee im Tal 


und weiter zur Tempelanlage von Pura Tirta Empul, in der die Gläubigen sich regelmäßig im heiligen Wasser baden. Es soll heilende Wirkung haben und wird schon seit 1000 Jahren von den Balinesen als Badewasser genutzt. Einige nehmen sich sogar Flaschen und Kanister mit dem heiligen Wasser zurück nach Hause. 


Hier erzählt uns Yande von seiner persönlichen Geschichte der Wiedergeburten. Er ist der Meinung, dass er in seinen vergangenen Leben der „spirit-consciousness“ schön näher war und sich in diesem Leben an die damals gelernten Fähigkeiten erinnern muss. Irgendwann erreiche man die höchste spirituelle Ebene und breche dann aus dem Kreislauf der Wiedergeburten aus. Es ist eine Sache, Ausführungen über das hinduistische Denken in einem Buch zu lesen und als westlich aufgeklärter Mensch vielleicht mit einem Lächeln abzutun, aber eine ganz andere vor einem Menschen zu stehen, der fest an den Kreislauf der Wiedergeburten glaubt und einem die Bedeutung von Kharma erklärt.


Den Rest des Tages besichtigen wir weitere Sehenswürdigkeiten von Bali, wie die berühmten Reisterrassen, 


einen Vogelpark, 


die Künstler-Stadt Ubud, das kulturelle Zentrum der Insel, 



und einen Wasserfall. 


Besonders interessant ist aber der Besuch eines traditionellen Wohnhauses. An der Hausmauer befindet sich eine Plakette, auf der man die Hausnummer und die Anzahl der im Haus lebenden Menschen ablesen kann. 


Vor dem offenen Eingang steht eine kleine Steinmauer, die als Sichtschutz fungiert. Im vorderen Teil des Grundstücks befindet sich die Küche, von der die Frau des Hauses Überblick darüber hat, wer ein- und ausgeht, dahinter das Schlafzimmer der Großeltern und Eltern, eine überdachte Steinerhebung, die an drei Seiten offen ist (hier sei es ja nun mal nicht so kalt wie in Deutschland, sagt Yande), 


und geschützt dahinter das Schlafzimmer der Kinder. Im Nordosten jedes Grundstücks stehen die Haustempel. Einer ist für die drei großen Gottheiten Brahma, Vishnu und Shiva und einer zur Erinnerung an die Ahnen errichtet. Sie stehen im Nordosten, weil im Norden in der Gebirgskette von Bali die Götter wohnen und im Osten die Sonne aufgeht. Yande meint, dass er sein Kissen nachts auch immer zum Nordosten hin ausrichtet, selbst wenn er in einem Hotel in Europa schläft.


Die Balinesen leben in „Communities“, die aus bis zu 150 Familien bestehen. Die Gemeinschaft regelt das Zusammenleben und entscheidet darüber, ob Frauen nur innerhalb der Community heiraten dürfen und wie hoch die Brautsteuer ist, die der Ehemann der Familie seiner zukünftigen Frau zahlen muss. In manchen Orten ist der festgelegte Betrag allerdings so hoch, dass viele Frauen Schwierigkeiten haben, zahlungswillige Männer zu finden. Kommt es zu einer Hochzeit, bleibt gemäß der Tradition der älteste Sohn mit seiner neuen Familie im Haus seiner Eltern wohnen. Die nachfolgenden Geschwister dürfen ausziehen und neue Haushalte gründen. Gibt es keinen Sohn in der Familie, übernimmt die älteste Tochter die Rolle. Daher ist die erste Frage, die ein Balinese einer Balinesin stellt, noch bevor er nach ihrem Namen fragt, ob sie Brüder oder ältere Schwestern hat.


Die Community spielt auch eine große Rolle, wenn es um den Tod von Gemeinschaftsmitgliedern geht. Bei den Balinesen ist das Begräbnis, bei dem der Leichnam kremiert wird, ein „fröhliches“ Fest, da der Geist ja weiterlebt und nur die körperliche Hülle dieses Lebens verlassen hat. Diese Feiern sind jedoch sehr teuer, da alle Menschen der Community eingeladen werden und man für das Essen sorgen muss. Diejenigen, die dafür nicht aufkommen können, begraben den Toten zunächst auf dem Friedhof. Sind im Laufe der Zeit alle Friedhofsplätze belegt, findet für die dort liegenden Toten, in der Regel alle fünf Jahre, eine Massenkremation statt, die von der Gemeinschaft bezahlt wird.

Ein Beispiel für den Glauben an die Wiedergeburt liefert uns Yande in diesem Zusammenhang aus seiner Familie. Er ist der festen Überzeugung, dass sein Großvater als seine Tochter wiedergeboren wurde. Ein Schamane, zu dem die Kinder nach einer gewissen Zeit gebracht werden, hat ihm dies bestätigt. Wie sein Großvater, der Musiker war, liebe auch seine Tochter die Musik. Außerdem habe er leider zu Lebzeiten seines Großvaters nicht so viel Zeit gehabt, sich um ihn zu kümmern, und deshalb sei sein Geist in seiner Tochter wiedergeboren worden, damit er die verpasste Zeit nachholen kann.

Zum Sonnenuntergang bringt uns Yande schließlich zum berühmten Tempel Pura Tanah Lot, der auf einer kleinen Felseninsel an der Küste thront. 


Er ist sicher einer der am meisten besuchten Touristenattraktionen auf der Insel. Fast schöner ist der nur Hundert Meter weiter gelegene Tempel Pura Batu Bolong, der ebenfalls im Meer liegt und über eine Steinbrücke zu erreichen ist.


Wir haben unsere Zeit auf Bali auch gerade wegen des interessanten und lehrreichen Tages mit Yande sehr genossen. Die Insel ist von Menschen bewohnt, die eine faszinierende Kultur besitzen, und hat uns, von den kurzen abendlichen Regenschauern abgesehen, mit tollem Wetter schon jetzt am Ende der Regenzeit verwöhnt. Und vielleicht sind auch wir unserer „spirit-consciousness“ ein Stück näher gekommen.


Obwohl heute ein Flieger von Lion Air über die Landebahn des Flughafens von Bali ins Meer gerutscht ist, werden wir die Insel morgen trotzdem mit dem Flugzeug (nicht von Lion Air) verlassen. Es geht mit Singapore Airlines in ihre namensgebende Heimat Singapur. Für die zwei Nächte im kleinen Stadtstaat haben wir uns in einem ganz besonderen Hotel einquartiert, das sicherlich das Luxus-Highlight der Reise werden wird...

Fazit Tage 88 bis 101:

Bali ist Indonesien, aber Indonesien ist nicht Bali.

Was haben wir heute gelernt: „Die kleinste Einheit ist bei uns die Familie und nicht der Mensch, so wie bei euch.“ Yande

2 Kommentare:

  1. sehr weise sprüche heute?! lg. Lore

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    1. PS: Walter, du hast ja wieder eine Sonnenbrille ;). Echt schöne Fotos von euch und natürlich auch all die anderen. Lore

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