Zurückgelegte Kilometer: 97
Eine Nacht in der Natur ist sicherlich
nicht für jeden Stadtmenschen eine Wunschvorstellung. Das
Sonnenlicht verschwindet um kurz vor 18:00 Uhr, das einzige
Toilettenhäuschen ist ein Abort, das nach ursprünglicher Natur
riecht und wer mit Taschenlampe im Dunkeln seinen Weg sucht, dem
leuchten funkelnde Augen aus dem Gebüsch entgegen. Auf der anderen
Seite schlafen wir ja in einem Van, was immer noch komfortabler ist
als ein Zelt. Außerdem war die Nacht zwar kühl, aber nicht so kalt
wie erwartet. Und nicht zu vergessen ist der Moment, wenn man aus dem
Auto steigt und die herrlich frische Morgenluft atmet, die
Nebelschwaden über die Felder ziehen sieht und inmitten der Berge
sein Müsli und Kaffee zu sich nimmt.
Nach dem Frühstück machen wir unseren
ersten „Walk“ des Tages. Nur wenige Meter von unserer Schlafstatt
entfernt, beginnt am Südende des Lake Gunns der „Lake Gunn Walk“.
Das ist ein (natürlich) ausgeschilderter 45-minütiger Lehrpfad, der
durch einen grünen Wald voller Moos und Farne führt, der auch in
einer verzauberten Märchengeschichte vorkommen könnte.
Wir lernen,
dass wir zwischen Rotbuchen spazieren gehen, um genau zu sein
zwischen Nothofagus Fusca. Nothofagus bedeutet laut Infoschild
„falsche“ Buche, während der Fagus, die „echte“ Buche nur in
der nördlichen Hemisphäre beheimatet ist.
Die Rotbuchen gibt es
bereits seit 100 Mio. Jahren und seit 40 Mio. Jahren, als sich die
Landmasse Neuseelands von einem größeren Urkontinent löste,
entwickelten sie sich isoliert von anderen Einflüssen. So wie eben
auch der Rest der neuseeländischen Tier- und Pflanzenwelt.
Der Lake
Gunn Walk führt einen auch an den namensgebenden See. Alleine die
Aussicht auf das in der Sonne glitzernde Wasser und die Berge lohnen
den Spaziergang.
Vom Lake Gunn fahren wir zu unserer
Hauptwanderung, die wir heute unternehmen wollen. Dafür geht es
wieder ein Stück die Milford Road hinein zum „Divide“, den Pass
über die Bergketten. Hier steht eine Schutzhütte, von der man zu
drei verschiedenen mehrtätigen Wanderungen aufbrechen kann und von
wo man sich nach der Rückkehr wieder mit dem Auto abholen kann. Es
gibt aber auch zwei Tageswanderungen, die man entlang der Milford
Road machen kann. Die eine liegt am Lake Marian und die andere
startet hier. Unser Hike führt zum Key Summit. Das ist eine
Bergspitze, von der sich Ausblicke auf drei verschiedene Täler
eröffnen. Der Weg folgt dabei zunächst der Spur des mehrtätigen
„Routeburn Tracks“, bevor er zum Key Summit abbiegt. Er ist 5km
lang, überwindet eine Steigung von 400 Höhenmetern und soll 3
Stunden hin und zurück dauern.
Der gut ausgetretene Weg wurde
vermutlich das erste Mal um 1500 von den Maori beschritten, die im
Milford Sound auf der Suche nach Jade waren. Wir laufen zunächst
durch Regenwald, der von Buchen, Flechten und Moosen dominiert wird.
Mit den Höhenmetern verändert sich aber auch die Vegetation. Die
Bäume werden kleiner und geduckter und die Sträucher übernehmen
das Kommando. Als wir in die alpineren Regionen vorstoßen, bieten
sich dann auch die ersten Aussichten auf die Bergformationen.
Auf dem
Key Summit gibt es einen alpinen Naturlehrpfad, von dem man die beste
Aussicht auf die verschiedenen Täler hat und auch einen Blick auf
den Lake Marian erhaschen kann. Die Reiseführer sprechen zu Recht
von „traumhaften Aussichten“ und „panoramic views“.
Auf dem Weg nach unten fallen uns zum
ersten Mal die vielen von Parkwächtern aufgestellten Fallen für die
ins Land eingeführten Ratten und Possums auf. Trotz der Fotostopps
schaffen wir es in der angegebenen Zeit wieder an unserem Van im
Divide zu sein. Weil wir schon müde sind und der Tag ziemlich
vorangeschritten ist, verabschieden wir uns schweren Herzens von
Milford und fahren die Panorama-Straße ein letztes Mal zurück nach
Te Anau.
Bevor wir die Road verlassen, machen wir aber noch einen
Halt am Standard-Stopp der Touristenbusse, an den „Mirror Lakes“.
In den kleinen Seen, die man auch guten Gewissens als Teiche
bezeichnen kann und die früher zum Flussbett des Eglinton River
gehörten, kann man in windstillen Momenten die Spiegelung der
Bergkulisse sehen.
Die beste Zeit ist kurz nach Sonnenauf- und vor
Sonnenuntergang, da das Wasser ganz still liegt.
Während die Sonne für uns untergeht,
erreichen wir wieder Te Anau mit seinem blauen See. Wir machen noch
ein paar Einkäufe im örtlichen Supermarkt, weil wir nicht wissen,
ob morgen am nationalen Gedenktag „ANZAC Day“ die Geschäfte auf
sein werden. Die Nacht verbringen wir im „Fiordland Great Views
Holiday Park“, der für 36 $ einen schönen Blick auf den See und
eine große und geräumige Küche bietet. Aber das Beste waren die
vorhandenen Duschen, die wir gefühlt eine Ewigkeit nicht mehr hatten
und sofort austesten mussten.
Fazit Tag 112:
Neuseeland ist Wanderland.
Was haben wir heute gelernt?
Neuseelands Natur konnte sich Millionen von Jahre ungestört
entwickeln. Die heimischen Vögel profitierten davon, dass sich keine
Raubtiere auf den beiden Inseln befanden. Dieses Ökosystem wurde
dann aber bereits mit den ersten Siedlern, den Maori, empfindlich
gestört. Schon mit den ersten Siedlerkanus kamen Ratten ins Land,
die Jungvögel und Vogeleier verspeisten. Spätestens mit den weißen
Siedlern kamen auch andere Räuber, wie die nachtaktiven Possum, zu
Deutsch Fuchskusu, die sich explosionsartig vermehrten und heute das
Überleben vieler Tierarten gefährden. Aus diesem Grund finden
nationale Kampagnen gegen diese Tierchen statt, die man lieber vom
Auto überfahren auf der Straße liegen sieht als lebendig im Wald.
P.S. Für unsere beiden kleinsten Blog-Leser gibt es auf ausdrücklichen Wunsch hin noch ein weiteres Foto von der Bootsfahrt gestern auf dem Milford Sound:
Was in Neuseeland ein nachtaktives Possum, ist bei uns ein nachtaktiver Waschbär ( oder mehrere) mit nachtglühenden Augen und Frühlingsgefühlen....weiter gute Fahrt!
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