Oder im Backpacker-Jargon: „A bus
ride from hell“. So betiteln für gewöhnlich die Rucksackreisenden
ihre schrecklichsten Busfahrten. Manchmal erscheint das viel zu
übertrieben und manchmal ist es durchaus angebracht. Wir haben uns
gedacht, wenn man mehr als doppelt so lang wie geplant unterwegs ist,
einem so heiß ist, dass die Kleider am Körper kleben, bei einem
Überholvorgang um sein Leben fürchtete, sich mindestens einer
übergeben hat, einmal in die falsche Richtung abgebogen ist und es
fast zu Handgreiflichkeiten kam, dann kann man seinen Blogeintrag
ruhigen Gewissens so nennen. Das ist die Geschichte unserer vorerst
letzten Busfahrt in Südostasien, die uns nochmal so einiges geboten
hat.
Da übermorgen unser Flug von Bangkok
nach Bali geht und wir mit etwas Wehmut das südostasiatische
Festland verlassen werden, haben wir für heute ein Busticket von
Siem Reap in die thailändische Hauptstadt gebucht. Die
Busgesellschaft heißt „Gold VIP Bus“ und hätte sich abwegiger
nicht nennen können. Laut Fahrplan sollte unser Bus mit komfortablen
zurücklehnbaren Sitzen und Klimaanlage um 06:30 Uhr abfahren und um
12:30 Uhr in Bangkok ankommen. Sogar WiFi sollte es während der
Fahrt geben. Das Ticket kostet 12 $ pro Person.
Um 06:00 Uhr wurden wir von einem
TukTuk am Hotel abgeholt. Das hieß, dass wir um 5:00 Uhr
aufgestanden sind, die Rucksäcke gepackt, den schlafenden
Mitarbeiter an der Rezeption geweckt hatten und dieser ein
Abschiedsfoto von uns gemacht hat. Von Roel und Leoni haben wir uns
schon am Vorabend verabschiedet. Für die beiden geht es weiter nach
Battambang im Süden von Kambodscha und dann über Bangkok vielleicht
nach Laos. Auf dem Weg zur Bushaltestelle haben wir dann noch zwei
weitere Reisende abgeholt und saßen mit vier Personen und acht
Rucksäcken über uns im kleinen Anhänger des TukTuks. An der
Bushaltestelle war erst einmal Warten angesagt. Der TukTuk-Fahrer war
damit beschäftigt, nach und nach mehr Fahrgäste aus der Stadt
hierher zu bringen, so dass um 06:30 Uhr natürlich noch kein Bus
abfahrbereit an der Straße stand. Und auch um 07:00 Uhr noch nicht.
Um 07:15 Uhr kam dann kurzzeitig Euphorie unter den Wartenden auf,
als ein Bus vor uns stoppte, aber die hielt nicht lange an. Es war
ein „sleeping bus“ vermutlich aus Phnom Penh, aus dessen
durchwühlte Liegeflächen verschlafene Backpacker in Pyjamas
herauskrochen und sich zu uns Wartenden gesellten, während der Bus
wieder verschwand. Um 07:30 Uhr warteten wir immer noch in der
stärker werdenden Sonne. Unmut breitete sich aus. Man fragte sich,
warum man eigentlich so früh aufgestanden ist, während die
„leitende Mitarbeiterin“ in der „Gold VIP Bus“-Zentrale mit
drei verschiedenen Handys und einem Festnetztelefon hektisch
herumtelefonierte. Kein gutes Zeichen. Und um 08:30 Uhr, laut Plan
sollten wir jetzt an der Grenze sein, gab es die Bestätigung: Unser
eigentliche Bus ist irgendwo mit einem Schaden liegengeblieben. Vor
uns stand nun ein muffiger „sleeping bus“, der statt der
aufrechten Sitzplätze durchwühlte und nicht mehr allzu saubere
Liegeflächen hatte. Wobei die Leute, die unten liegen mussten, so
wie wir, kein Fenster zum rausgucken haben.
Sich zu beschweren war
sinnlos und so wurden unsere Rucksäcke reingeworfen und wir sind
eingestiegen. Immerhin fuhr der Bus jetzt los.
Nur um fünf Minuten später wieder
anzuhalten. Wir mussten nämlich noch tanken. Es verging also eine
weitere Viertelstunde bis wir endlich aus Siem Reap rausfahren
konnten. Unterwegs wurden ein paar Dinge schnell deutlich: dass die
Klimaanlage so gut wie gar nicht funktionierte und draußen über 35
Grad herrschten, dass wir die meiste Zeit auf der holprigen
Gegenfahrbahn fuhren und dass die zwei wütenden Tschechen hinter uns
für den Rest des Tages nicht aufhören würden, zu fluchen. Die
beiden beschlossen außerdem, die hintere Dachluke zu öffnen und so
die Klimaanlage endgültig zum Erliegen zu bringen. Als einer der
zwei Busfahrer nach hinten kam, um die Luke wieder zu schließen,
vertrieben sie ihn wieder mit gefletschten Zähnen.
Aber obwohl wir uns wie in einer
Konservendose, die ordentlich geschüttelt wird, fühlten,
funktionierte die GPS-Ortung mit unserem Handy. Und das war auch gut
so, denn während sich Christina mit ein paar Folgen Gilmore Girls in
eine andere, bessere Welt träumte, stellte Walter erstaunt fest,
dass wir auf halbem Weg zur im Westen liegenden Grenze plötzlich
nach Süden Richtung Meer abbogen. Laut Karte konnte das auch nicht
ein anderer Weg zur Grenze sein. Wir entfernten uns sogar wieder von
Thailand und steuerten die Stadt Battambang an. Wollen die dort noch
weitere Fahrgäste abholen? Nicht ganz abwegig, schließlich dachten
die Leute, die heute Morgen aus dem „sleeping bus“ aus Phnom Penh
ausgestiegen sind und jetzt mit uns mitfahren, dass sie eine
Direktfahrt nach Thailand gebucht hatten und nicht noch in Siem Reap
anhalten und sogar umsteigen würden.
Walter kriecht also aus seiner
Konservendose hervor und kämpft sich durch den mit Füßen
zugehangenen Gang nach vorne zu den beiden Busfahrern durch. „Djum
riap sua! Do you speak English?“ Ein böser Blick und ein barsches
„Driver - NO – ENGLISH!!“ kommt zurück. Es erscheint aber eher
so, dass der driver bloß keine Lust hat, Englisch zu sprechen. Mit
Händen und Füßen gibt Walter den beiden zu verstehen, dass wir
gerade in Richtung Süden fahren und nicht wie vorgesehen zur
kambodschanisch-thailändischen Grenze im Westen. „I want to go to
Bangkok, Thailand! But this is the road to Battambang!“ Ungläubige
Blicke. „You want to go to Battambang?!“ „NO! I want to go to
Bangkok! But we are going to Battambang!“ Kopfschütteln. „This
is the road to Bangkok!“ „NO, this is the road to Battambang! We
are going the wrong direction!“ Die beiden Busfahrer wollten das
weiterhin nicht glauben und so ging das eine Weile hin und her, bis
der Fahrer tatsächlich am Straßenrand anhielt und der andere
ausstieg und einen Passanten fragte. Und siehe da, er steigt wieder
ein, spricht ein paar Sätze auf Khmer mit seinem Kollegen, beide
lachen sich kaputt und der Fahrer dreht den Bus und fährt wieder
zurück. Keine Sorge, jetzt würden wir wieder in Richtung Bangkok
fahren, bekommt Walter zu hören. Bleibt die Frage, wie lange wir
wohl in die falsche Richtung gefahren wären, bevor die beiden es
selbst gemerkt hätten.
Und so sind wir immerhin wieder auf dem
richtigen Weg und nur noch 30km von der Grenze entfernt, als wir mit
einem Schaden am Bus in einem kleinen staubigen kambodschanischen
Dorf liegen bleiben.
Wir haben Glück im Unglück, denn im Laden
nebenan verkauft eine nette Frau kalte Getränke an alle Fahrgäste
und stellt die Toilette in ihrem Haus den gestrandeten Reisenden zur
Verfügung. Derweil hat sich der Busfahrer sein Hemd ausgezogen,
routinemäßig den Werkzeugkasten aus einem Schließfach geholt und
sich für die nächste halbe Stunde vorne unter den Bus gelegt.
Als er wieder hervorkam war der Bus
fahrtüchtig und wir legten die letzten Kilometer bis zur Grenze ohne
weitere Zwischenfälle zurück. Der Grenzübergang von Poipet ist
zwar eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Kambodscha und
Thailand, aber wie ein LonelyPlanet sicher sagen würde „not a
particularly inspiring place.“
Beim Aussteigen erhalten wir von
einem neu aufgetauchten Kambodschaner einen goldenen kleinen
Aufkleber, den wir gut sichtbar auf unserem T-Shirt anbringen sollen.
Auf der anderen Seite würde uns damit schon jemand wieder
aufsammeln. Die nächste Stunde verbringen wir mit unseren Rucksäcken
in der Schlange vor der Ausreisekontrolle und um 12:30 Uhr, als wir
laut Plan eigentlich in Bangkok ankommen sollten, standen wir in der
Schlange vor der Einreisekontrolle.
Nicht jeder hat die heiße Fahrt
bis hierhin gut überstanden und prompt übergibt sich einer unserer
Mitreisenden aus dem Bus, kurz bevor er vor den Einreisebeamten
treten muss. Wir warten eine weitere Stunde bis es wieder „Sawadie
khap!“ heißt und der nächste Stempel in unsere Reisepässe
gedrückt wird. Das wir jetzt wieder auf thailändischem Boden sind
heißt jedoch nicht, dass es zügig weitergeht. Hundert Meter hinter
der Grenze müssen wir zunächst mit den anderen auf ein paar
Plastikstühlen unter einem provisorischen Zelt Platz nehmen und, wer
hätte es gedacht, warten.
Informationen sind an dieser Stelle
Mangelware. Stattdessen werden mit einem Filzstift Nummern auf unsere
goldenen Aufkleber geschrieben. Ein paar Leute werden abgeholt, die
auf die Insel Ko Chang im Süden weiterreisen wollen. Es dauert
wieder 60 Minuten bis wir aufstehen dürfen. Wie eine Schar Gänse
laufen wir einem Thailänder hinterher, der ein paar Mal lustlos
„Bangkok, Bangkok“ ruft.
Wir gehen 500m die Straße runter,
sehen ein Dutzend Minivans vor uns parken und dürfen endlich …
erstmal wieder im Schatten Platz nehmen.
„Five more minutes!“,
dann sei unser Minivan da. Vermutlich hat er sich bloß versprochen
und wollte „30 more minutes“ sagen, denn solange dauerte es, bis
ein Wagen angerauscht kam, in den sich die Glücklichen mit den
Nummern 1 bis 14 auf ihren Aufklebern hineinzwängen durften. 14
Passagiere zuzüglich Rucksäcke.
Wir gehörten nicht dazu. Die
Stimmung unter den Verbliebenen wurde immer gereizter, als der für
uns zuständige Thailänder auf die Frage, wann wir denn endlich
abgeholt werden würden, allen Ernstes mit „five more minutes“
antwortete. Weitere Nachfragen bügelte er genervt ab, als ob wir ihn
die ganze Zeit haben warten lassen. Eine erneute halbe Stunde nachdem
die ersten 14 Leute abgeholt wurden, also nachdem wir drei bis vier
Stunden an der Grenze zugebracht hatten, erschien unser Wagen auf der
Straße. Wir und fünf andere Fahrgäste sitzen schon im Minivan als
draußen ein handfester Streit ausbricht. Es scheint, dass einer der
Backpacker, der mit einem anderen Bus zur Grenze gekommen ist, seinen
Aufkleber verloren hat und der Thailänder ihn auf keinen Fall
mitfahren lassen möchte, weil er offensichtlich nicht bezahlt habe.
Er wird sauer, seine Freunde werden sauer, die Thailänder werden
sauer und es werden wüste Beleidigungen und Drohungen ausgetauscht.
Schließlich beschließen auch seine Freunde, nicht mitzufahren, der
Thailänder schlägt die Minivantür zu und gibt unserem Fahrer die
Anweisung, nur mit uns sieben nach Bangkok abzufahren.
Ab hier geht alles plötzlich ganz
schnell. Unser Fahrer hat wohl beschlossen, die Zeit, die wir bislang
verloren haben, auf den Straßen von Thailand wieder aufzuholen. Die
Landschaft, der Verkehr und unser Leben zieht an uns vorbei und ehe
wir uns versehen, tauchen die in der Dunkelheit hell beleuchteten
Hochhäuser Bangkoks auf. Es tut irgendwie gut, das erste Mal auf
unserer Reise an einen Ort zurückzukommen. Noch dazu in die
Hauptstadt Thailands, die nach den Tagen in Laos, Vietnam und
Kambodscha noch mehr wie eine westliche Großstadt auf uns wirkt.
Um 20:30 Uhr steigen wir in der Khaosan
Road aus, nehmen ein Taxi zu unserem Hotel, das näher zum Flughafen
liegt, und können um 21:30 Uhr endlich einchecken; neun Stunden nach
unserer planmäßigen Ankunft und 16 ½ Stunden nachdem wir
aufgestanden sind.
Nach sieben ereignisreichen Reisewochen
sind wir also wieder in Bangkok angekommen. Übermorgen am 01. April
geht es dann mit dem Flieger über den Äquator auf die indonesische
Insel Bali. Und erstaunt stellen wir fest, dass morgen ja
Ostersonntag ist. Na dann, frohe Ostern!
Fazit Tag 87:
Wo Gold VIP draufsteht, ist nicht Gold
VIP drin.
Was haben wir heute gelernt? Die
thailändischen Minivan-Fahrer sind die Cowboys des modernen
Straßenverkehrs.
Eine unglaubliche Story! Wo in aller Welt wärt ihr jetzt, wenn ihr euch nicht mit Handy, Internet, GPS orientieren könntet? Zeitversetzte Informationen haben für uns "Reisebegleiter" durchaus etwas Positives...el Golfo
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