Der goldene Stern vor dem roten
Hintergrund scheint einem in diesem Land zur Begrüßung und zum
Abschied entgegen. Die Sozialistische Republik Vietnam ist ein
unabhängiger Einparteienstaat, der uns automatisch an kommunistische
Ideale und Krieg denken lässt. Doch beides spielt im
industrialisierten und mopedbetriebenen Alltag der 92 Mio. Einwohner
kaum eine Rolle mehr. Wir haben ein Land gesehen, dass uns in den
Städten (über)fordert und auf dem Land erstaunt. Wie immer sind es
die Menschen, mit ihrer tragischen und wechselhaften Geschichte der
letzten Jahrzehnte, die uns in Erinnerung bleiben werden. Die vierte
Station unserer Reise ist vorbei.
Hier unser Vietnam in 10
Stichpunkten:
Geschwindigkeit statt Langsamkeit. Die
Straßen sind bevölkert von Mopeds, die von Vietnamesen mit
Mundschutz gefahren werden und Abgase produzieren, die das Atmen
erschweren. Diese Hektik des dichten Verkehrs trifft so manchen
Reisenden unvorbereitet.
Jeder, der nach Vietnam kommt, wird zum
Suppenesser. So auch wir. Die Pho ist das wahre Nationalsymbol.
Vietnam (ist) Krieg. Der Küstenstaat
ist traurigerweise namensgebend für den berühmtesten militärischen
Konflikt der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, der ein
Sinnbild für das Scheitern einer Supermacht wurde. Vor dem
Hintergrund einer weltweiten Protestbewegung wurden Bilder
amerikanischer Greueltaten veröffentlicht und Begriffe wie Napalm
und Agent Orange zu Synonymen grausamer Kriegsführung. Es ist das
vielleicht dunkelste Kapitel vietnamesischer Geschichte, dessen
kritische Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen ist.
Für uns war Vietnam Zugfahren. Die
1650km von Norden nach Süden lassen sich am komfortabelsten in einem
der vielen Schlafwagen bei einem heißen Instant-Nudelgericht
zurücklegen. Wir sind zwar nur langsam vorangekommen, dafür aber
vergleichsweise sicher und pünktlich.
Das Land ist härter, rauer und
aufdringlicher als der Rest Südostasiens (nirgendwo sonst waren wir
Indien wieder so nah). Die vietnamesische Freundlichkeit erschließt
sich zumeist nur auf den zweiten Blick. Wer nur einmal hinschaut, dem
bleibt sie verborgen.
Uns war heiß. Besonders in den
Städten. Die durch die Abgase gefangene luftfeuchte Hitze erschwerte
jeden Schritt. Was wir besonders in Vietnam wahrgenommen haben, ist
natürlich auch der fortgeschrittenen Reisezeit geschuldet.
Vietnam ist ohne Ho Chi Minh nicht
denkbar. Nicht ohne seine Verdienste für ein geeintes Land, nicht
ohne seinen mörderischen Guerillakrieg, nicht ohne den Personenkult,
der ihn zum Gegenstand hat und nicht ohne sein Antlitz, das jeden
Reisenden, wohin er auch geht, begleitet.
Was uns während unserer Zeit in diesem
Land begleitete, war ein Verlangen nach zu Hause und Gewohnheit. Ein
Gefühl, nicht stark aber allgegenwärtig, das vielleicht nicht so
sehr durch Vietnam als vielmehr durch die knapp 80 Tage auf Reisen
hervorgerufen wurde. In unser Vietnamfazit gehört es trotzdem.
Ein Weniger an Religiosität. Was in
den anderen Staaten Südostasiens orange geleuchtet oder nach
Räucherstäbchen gerochen hat, ist in Vietnam nicht mehr sichtbar.
Mit Sicherheit eine Folge sozialistischer Herrschaft, die das Land
für atheistisch erklärt, kirchliche Gebäude geschlossen und
religiöse Führer verfolgt hat. Geblieben ist aber über alle
religiöse Grenzen hinweg der vietnamesische Ahnenkult, der in jedem
Hausaltar die letzten fünf Generationen ehrt.
An was wir uns erinnern werden: die
Verkäufer mit ihren Lautsprechern an den Mopeds, aus denen monotone
Werbung für ihre Produkte über die Straßen dröhnt und die sich
bis in die nächtlichen Träume schleicht.
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