Zurückgelegte Kilometer: 172
Die nächsten beiden Tage stehen im
Zeichen der Gletscher. Wir wollen die berühmten Eisfelder von Fox
und Franz Josef besichtigen, die sich von fast 3000m Höhe bis in die
Regenwaldzone des Voralpenlandes erstrecken. Aber zunächst mussten
wir die Nacht in Haast überstehen. Der vorausgesagte Sturm zog
tatsächlich auf und ließ den Van bedenklich hin und her wackeln.
Bedenklich jedenfalls für die eine von uns, während der andere
seelenruhig weiterschlief. Große Regentropfen verursachten ein
lautes Stakkato und das Stromkabel klopfte an die Seitenwand, was
manche von uns veranlassten, dies als Tiergeräusche zu
interpretieren.
Nach der stürmischen Nacht folgte aber
ein sonniger Morgen. Da wir uns im Holiday Park eine 24-stündige
WiFi-Verbindung für 5 $ gekauft hatten, nutzen wir die Gelegenheit,
um mit unserer Familie in Deutschland zu skypen, die am zu Bett gehen
war, während wir gerade frühstücken. Bevor wir von Haast die
Küstenstraße SH-6 folgend nach Nordosten in Richtung Fox fahren,
machen wir noch einen kleinen Abstecher in den südlichsten zu
befahrenden Teil der Westcoast, die Jackson Bay.
In der Nähe von
Okuru laufen wir den „Hapuka Estuary Walk“, der durch einen mit
Schilf bewachsenen Küstenstreifen und Regenwald führt.
Ein Holzsteg
leitet uns über das Wasser, bis wir hinter einer Biegung an eine
Stelle kommen, an der der Steg überschwemmt ist. Der heftige Regen
in der letzten Nacht hat wohl zusammen mit der jetzt einsetzenden
Flut seine Spuren hinterlassen.
Man kann erkennen, wie das Wasser
Zentimeter um Zentimeter steigt. Damit wir nicht mit unseren
Wertsachen baden gehen, machen wir uns lieber sofort auf den Rückweg.
Tatsächlich sind Teile des Weges, die wir vor ein paar Minuten
passiert haben, schon von Wasser bedeckt. Mit ein paar beherzten
Sprüngen kommen wir aber noch locker aus der Gefahrenzone.
In Haast tanken wir den Camper voll und
genießen die Fahrt an der Steilküste.
Den vermutlich besten
Ausblick über dieses kleine Vorgebirge hat man am Knights Point. Die
Straße, die hier vorbeiführt, wurde erst nach 1965 gebaut und ab
1995 asphaltiert. Ziemlich spät, wenn man bedenkt, dass der State
Highway 6 die einzige Verkehrsader an der Westküste ist. So
erscheint das Motto von Haast, „on the edge of the wilderness“,
für diese Region passend.
Eine kleine Infotafel am Aussichtspunkt
des Knights Points erklärt, dass man bei einer Fahrt über das Meer
in westlicher Richtung in 1700km auf Tasmanien stoßen, während in
südwestlicher Richtung erst die Antarktis die nächste Landmasse
sein würde.
Bevor wir Fox erreichen gibt es für
die hungrigen Camperinsassen noch eine besondere Stärkung: In einer
kleinen Lachsfarm gönnen wir uns Kaffee und eine frische
Lachsschnitte aus „Vollkorn“-Brot.
In Fox sind wir am Westland National
Park, der zur großen South West New Zealand World Heritage Area
gehört. Der Westland National Park wird hauptsächlich wegen seiner
beiden Gletscher, Fox Glacier und Franz Josef Glacier, von Besuchern
frequentiert. Das Besondere an ihnen ist, dass sie sich, begünstigt
durch ihre Lage in einer der niederschlagsreichsten Regionen der
Erde, durch alle Vegetationszonen bis in die Regenwaldumgebung in
Küstennähe auf 300 Höhenmetern ziehen und somit relativ einfach zu
besichtigen sind. Nachdem wir uns einen Stellplatz in der Fox Glacier
Lodge, die etwas günstiger ist als der Top10 Holiday Park, gesichert
haben, fahren wir die 6km zum Fox Glacier Carpark nördlich des
Flusses und nehmen den Fox Glacier Valley Walk zum Gletscher. Der
leichte „Track“ dauert nur 45min hin und zurück, weil es nur bis
600m an den Gletscher herangeht. Auf Grund der ständigen Gefahr von
Eisabbrüchen und sonstigen Gletscherbewegungen wird der
Besucherzugang täglich überwacht und jeden Morgen bewertet. Je nach
äußeren Bedingungen kann man näher an die Gletscherzunge
heranlaufen oder muss an einem entfernteren Aussichtspunkt stoppen.
Wir vermuten, dass der Weg heute wegen der starken Regenfälle der
letzten Tage verkürzt wurde. Man läuft durch das Fox River
Flusstal, sieht vereinzelt Wasserfälle an den Hängen und passiert
den tiefblau schimmernden Fluss selbst.
Am Aussichtspunkt können wir
trotz der tiefen Wolken den Fox Glacier gut erkennen. Wer hätte
gedacht, dass man für eine Gletscherbesichtigung nicht in tiefste
Winterkleidung gepackt sein muss. Beeindruckend auch die Nähe
zwischen riesiger Eismasse und grünem Regenwald.
Zum Sonnenuntergang fahren wir zum Lake
Matheson, der am Rande des Städtchens Fox liegt.
Gerade im Sommer
verschlägt es viele Besucher zum Rundgang um den See, weil sich der
Mount Cook, der weniger als 30km Luftlinie hinter den Gletschern
liegt, und die anderen höchsten Gipfel Neuseelands im Wasser
spiegeln.
Obwohl große Teile der Alpen bei uns wolkenverhangen sind,
genießen wir den wirklich schönen 5km langen Rundgang, der durch
dichten Wald führt und mehrere Aussichtspunkte bereit hält.
Man
sollte nicht vergessen, eine Taschenlampe mitzunehmen, da es auf dem
Rückweg schon dunkel sein kann.
Der Abend ist vom Alltag auf einem
Campingplatz bestimmt. Während die Camper tagsüber unterwegs waren,
treffen sich alle am Abend in der Küche zum Kochen. Die übliche
Tageszeit und der übliche Ort andere Reisende kennenzulernen und
sich auszutauschen. In diesem Campingplatz ist jedoch zum ersten Mal
die kleine Küche dem Andrang nicht gewachsen und es bildet sich eine
Warteschlange an den Herdplatten. Wir hatten Glück als eine der
Ersten da gewesen zu sein und so konnte uns Christina das Stück
Heimat zubereiten, das wir uns für diesen Abend aufgespart hatten:
Bratkartoffeln mit (zugegeben neuseeländischen) Bratwürstchen.
Morgen geht es zur Stadt Franz Josef mit seinem gleichnamigen
Gletscher und wir hoffen, dort etwas näher an das große Eis zu
kommen.
Fazit Tag 115:
Neuseelands Südinsel ist „on the
edge of the wilderness“.
Was haben wir heute gelernt? Laut
Wikipedia sind Gletscher die größten Süßwasserspeicher der Welt
und nach den Ozeanen die größten Wasserspeicher der Erde. Außerdem
haben sie in den letzten Eiszeiten Landschaften geformt und gewaltige
Täler erschaffen. Die Südinsel Neuseelands ist ein ansehnliches
Beispiel dafür.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen