Zurückgelegte Kilometer: 288
Wir machen die Augen auf und stellen
fest: Es ist kalt. Keiner möchte aus dem warmen Schlafsack steigen
und das Frühstück vorbereiten. Was sich wie der Blog-Eintrag von
gestern anhört, beschreibt nur zu gut den heutigen Morgen. Alles ist
relativ und der Peel Forest erscheint in der Erinnerung als warm,
wenn man am Lake Tekapo 1 Grad in der Nacht hat. Der See liegt nunmal
deutlich höher als der Wald. Aber die Kälte kriecht schnell aus den
Gliedern, sobald die Heißluft weht und man aus dem Wagen steigt und
die herrlich frische Luft atmet. Es hat aufgehört zu regnen und der
See liegt klar und still vor uns.
Nach dem Frühstück fahren wir noch
einmal für Fotoaufnahmen zur Kirche des guten Hirten hinunter.
Obwohl wir um 7:00 Uhr aufgestanden sind, schaffen wir es wieder
nicht als Erste den Campingplatz zu verlassen. Von der Kirche machen
wir den Abstecher hoch zum Mount John.
Die Straße wird einspurig und
sehr steil, aber unser Van bringt uns im zweiten Gang und etwas
Murren nach oben. Es gibt hier ein Café, das durchgefrorene
Wanderer, die zu Fuß auf den Gipfel gestiegen sind, etwas aufwärmt.
Man hat eine schöne Aussicht auf die ockergelben bis braunen
Tussock-Felder und auf Lake Tekapo und den kleinen Lake Alexandrina.
Unsere Reise geht weiter in Richtung
Südwesten dem State Highway 8 folgend. Wir bleiben im Gebiet des
Alpenvorlandes und halten am nächsten großen See, Lake Pukaki. Er
ist Teil des großen Seensystems, das von Menschenhand verändert
wurde, um aus Wasserkraft Strom zu gewinnen. Der Wasserspiegel des
Lake Pukaki wurde beispielsweise um 45m angehoben. Die von den vielen
Stauseen angetriebenen Kraftwerke können ein Drittel des
neuseeländischen Strombedarfs decken. Neben der Stromproduktion
dienen die Seen aber auch als Zuchtbecken für Lachsfarmen. Die hohe
Wasserqualität soll angeblich dafür sorgen, dass die Fische ohne
Medikamente gezüchtet werden können. Neben unserem Halteplatz ist
eine Verkaufsstelle dieser Fischfarmen und bietet 100g Lachs für 6 $
feil. Vielleicht schlagen wir ja das nächste Mal zu. Normalerweise
hat man vom Ostufer des Lake Pukaki, an dem wir stehen, einen guten
Blick auf den mit 3754m höchsten Berg der neuseeländischen Alpen,
den Mount Cook oder mit Maori-Namen Aoraki. Dunkle Wolken verhindern
jedoch den uneingeschränkten Blick auf die Bergspitze.
Auf der Weiterfahrt kommen wir an dem
nächsten Landstrich vorbei, der durch die Herr der Ringe-Verfilmung
Berühmtheit erlangt hat. Auf den Weiden westlich der Stadt Twizel
„fand“ die große Entscheidungsschlacht im dritten Teil der
Trilogie statt. Beim größten Massendreh des Films waren etwa 1500
Statisten dabei, von denen ein paar heute als Tourguide für den
Besuch des ehemaligen Sets fungiert.
Wir biegen kurz darauf in Richtung
Südosten ab und fahren wieder zur Küste am südpazifischen Ozean.
Es ist das Gebiet von Otago. Countrylife wie es im Buche steht.
Vereinzelte Häuser und Dörfer, viele Schafe und Rinder und
zunehmend Rotwild dominieren die Umgebung. Leider aber auch der
wieder einsetzende starke Regen. Wir halten trotzdem unseren Kurs, um
südlich von Oamaru zwei Sehenswürdigkeiten dieser Küstenregion zu
besichtigen. Am Strand in der Nähe von Moeraki gibt es Konkretionen
zu bewundern. Das ist eine schöne Umschreibung für ungewöhnlich
große Steinkugeln.
Es liegen etwa 50 von ihnen vor Moeraki herum,
wobei die größten von ihnen einen Durchmesser von über zwei Metern
haben können. Das außerordentliche Aussehen dieser Steine hat schon
die Maori veranlasst, nach Erklärungen zu suchen: Ein legendäres
Ahnen-Kanu ist vor dieser Küste gekentert und die Wasser- und
Verpflegungskörbe sind an den Strand gespült worden, wo sie sich
heute in ihrer steinernen Form zeigen. Nahegelegene Klippen sind der
Rest des Bootskörpers und der Kapitän ist in einem bestimmten
Felsvorsprung zu sehen. Die wissenschaftliche Erkärung ist viel
nüchterner, wenn sie davon spricht, dass die Steine
Mineral-Aggregate sind, die durch chemische Prozesse von einem
Mittelpunkt nach außen gewachsen sind. Ein Vorgang, der auch mal 4
Mio. Jahre andauern kann.
Für die zweite Sehenswürdigkeit
müssen wir auf die Halbinsel mit dem Dorf Moeraki hinausfahren und
dort über eine dem Van und seinen Insassen angsteinflößende
Schotterpiste zum Katiki Point. Es gibt einen Leuchtturm und
unterhalb davon einen Beobachtungsstand, aus dem man die hier
lebenden Gelbaugenpinguine aus nächster Nähe sehen kann. Obwohl es
regnet und ein heftiger Wind weht, stehen die treu dreinblickenden
Pinguine nur wenige Meter entfernt auf den Steinen vor dem Meer.
Gelbaugenpinguine gibt es nur im südlichen Neuseeland und auf weiter
südlich gelegenen neuseeländischen Inseln. Sie sind eine der
seltensten Pinguinarten und gelten als stark vom Aussterben
gefährdet. Von dem Beobachtungsstand folgen wir gegen Wind und
Wetter ankämpfend einem kleinen Pfad zu einer Landspitze.
Unterwegs
sieht man noch den einen oder anderen durchnässten Pinguin im
Unterholz stehen.
Auf dem kleinen Landvorsprung, der von tosenden
Wellen umgeben ist, sehen wir sie dann: eine Kolonie Fellrobben.
Es
ist faszinierend diese Tiere, die man eigentlich nur aus „arktischen“
Dokumentationen im Fernsehen kennt, aus fünf Meter Entfernung (den
Abstand, den man laut Hinweisschild einhalten soll), noch dazu in
freier Wildbahn, zu sehen. Wir sind pitschnass als wir unsere
(Foto-)Neugier endlich befriedigt haben und zurück zum Auto können.
Die nassen Kleider war dieser Ausflug aber wert.
Im Auto müssen wir entscheiden, was
wir die nächsten Tage machen. Unser nächstes großes Etappenziel
und vielleicht ein Highlight unserer Rundreise auf der Südinsel ist
der Besuch des „Milford Sound“ im Fiordland National Park an der
Südwestküste. Momentan regnet es dort, aber für übermorgen ist
gutes Wetter vorausgesagt. Wir beschließen also das Risiko der
richtigen Wettervorhersage einzugehen und morgen die sehr regnerische
Ostküste zu verlassen. Das heißt, es wird ein langer Fahrtag, den
wir aber mit dem einen oder anderen Zwischenstopp auflockern wollen.
Für die heutige Nacht bleiben wir auf der Halbinsel und schlafen in
einem Campingplatz im Moeraki Village, der auf einer Anhöhe über
dem geschützten Hafen des Örtchens liegt.
Fazit Tag 109:
Von den Seen in den Bergen zu den
Pinguinen vor den Küsten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen