Draußen herrscht tiefe Nacht, nur
unser Zimmer-Gecko stößt vereinzelte Laute aus und wir genießen
noch die REM-Schlafphase. Es ist 5:00 Uhr, der Wecker klingelt
trotzdem. Das ist echt nicht unsere Zeit geweckt zu werden (nein,
auch nicht für Christina)! Dass wir so früh aufstehen, hat aber
einen guten Grund. Wir wollen uns heute den „dag bat“ ansehen.
Das ist die allmorgendliche Prozession der Mönche, auch Bettelgang
genannt, durch die Stadt, wobei sie von knienden Gläubigen Almosen
in Form von Reis erhalten. Diesen nehmen sie zurück ins Kloster, wo
er ihnen bis zur Mittagsstunde als Tagesmahlzeit dient. Die
Almosengabe ist eine der wichtigsten religiösen Handlungen im
Theravada-Buddhismus und speziell in Luang Prabang eine bewegende
Erfahrung, aber gleichzeitig immer mehr auch eine große
Touristenattraktion. Hinweisschilder an den Klöstern machen darauf
aufmerksam, dass man der Zeremonie respektvoll und schweigend
beiwohnen, keine Fotos mit Blitz machen und die Mönche nicht
ansprechen soll. Viele Hotels organisieren für ihre Gäste einen
Platz an der Straße und Schalen voll Reis, um selbst eine Gabe zu
leisten. Aber auch hier gilt, dass der religiöse Aspekt im
Vordergrund steht und man an der Almosengabe selbst nur teilnehmen
sollte, wenn sie für einen bedeutsam ist. Aus diesem Grund
verzichten wir darauf, eine Schale Reis zu kaufen und lassen uns mit
einem Tuktuk in die Stadt fahren, um uns unter Einhaltung der
Klosterhinweise selbst ein Bild von der Prozession zu machen.
Schon auf dem Weg durch die dunklen
Straßen zur Innenstadt sehen wir die ersten älteren Laotinnen auf
einem kleinen Hocker mit einer Schale Reis vor ihrer Wohnung sitzen
und warten. Wir lassen uns am Ufer des Nam Khan absetzen und
spazieren in der Morgendämmerung durch die kleinen Gassen zwischen
den Tempeln. Innerhalb der Tempelmauern herrscht bereits seit einigen
Stunden Leben, denn als buddhistischer Mönch wird man um 3:30 Uhr
geweckt, um die nächsten Stunden mit Meditation zu verbringen. Gegen
6:30 Uhr beginnt der dag bat. Ein orangenes Leuchten schwappt aus den
Tempeln auf die Straßen und wandert einem entgegen.
Hunderte von
orangenen Gewändern stechen aus der noch farblosen Umgebung hervor.
Ein stiller und faszinierender Moment. Wenn man nicht gerade an der
Ecke Sakkaline und Phayameungchan Road steht, denn hier parkt
pünktlich um 06:30 ein Konvoi an Minivans, die Blitzlicht
verströmende Touristen ausspeien und eine Viertelstunde später
wieder einpacken und verschwinden. Geht man nur ein paar Straßen
weiter, dann verschwindet das Spektakel und macht ehrlichen Bildern
Platz.
Alte Laoten und kleine Kinder sitzen auf dem Bordstein und
halten eine Schüssel mit noch dampfendem Reis auf dem Schoß.
Buddhistische Mönche, barfuß und in ein langes Gewand gekleidet,
schreiten hintereinander in einer scheinbar endlosen Schlange die
Reihe an Gläubigen ab.
Jeder Mönch, kleine Kinder bis zu von Falten
gezeichnete alte Männer, hält kurz seine Schale dem Gläubigen hin,
der eine Handvoll Reis hinein legt und sich ob der Ehre des Gebens
bedankt. Wir sitzen schweigend am Straßenrand und sind fasziniert
von dieser den hier lebenden Menschen so vertrauten Prozedur, die
sich jeden Tag wiederholt. Vielleicht sind es unsere staunenden
Augen, die den einen und anderen Mönch dazu verleitet, uns ein
kurzes Lächeln im Vorbeigehen zu schenken.
Nach dem dag bat schlendern wir noch
etwas im kühlen Morgen ziellos durch die Altstadt. Wir müssen uns
wieder mit weltlichen Dingen beschäftigen und zwar mit der Frage,
wie wir aus Luang Prabang weiterreisen. Unsere Zeit in Laos ist
nämlich zu Ende, morgen geht es für uns von hier nach Hanoi in
Vietnam. Die vietnamesische Hauptstadt kann man von Luang Prabang
entweder per Flugzeug in einer Stunde oder im Bus über die unter
Backpackern als „road to hell“ bekannte Straße erreichen. Der
Bus benötigt für die Strecke über die Berge offiziell 24, in
Wirklichkeit 30 Stunden, hat offiziell im hinteren Teil eine
Toilette, in Wirklichkeit keine, und bietet eine kleines Bett, das
mit den überzähligen vietnamesischen Mitreisenden geteilt werden
darf. Die einschlägigen Leidensberichte findet man ohne Probleme mit
einer google-Suche. Mit Blick auf unsere drei wundervollen
Erfahrungen mit dem laotischen Bussystem, verzichten wir dankend auf
eine weitere und entscheiden uns für den Flug. Wir buchen Tickets
für eine Propellermaschine Marke ATR 72 von Vietnam Airlines und
fragen uns, ob dies nicht vielleicht doch noch eine abenteuerliche
Reise nach Vietnam wird.
Den Nachmittag verbringen wir im
Halbschlaf im Hotel. Zeit für einen kurzen Exkurs zum Thema: barfuß
in Laos. Während es am Anfang für uns Westeuropäer noch ziemlich
ungewohnt ist, dass man sich vor jedem Tempelbesuch, vor den
Supermärkten oder vor den Restaurants die Schuhe ausziehen muss,
wird es dann doch schneller zur Routine als gedacht. Was wir bereits
in Indien und Thailand kennengelernt haben, wird in Laos
flächendeckend betrieben. Eigentlich gar keine so schlechte Idee,
denn die Böden der Geschäfte und Hotels bleiben auf diese Weise
sauber. Die Schuhe haben wir bis jetzt auch immer wiedergefunden. Und
wem das zuviel Fußkontakt mit anderen Menschen ist, der kann einfach
Socken anziehen.
Am Abend machen wir einen Abstecher zum
Nachtmarkt.
Jeden Tag ab 17 Uhr wird die Sisavangvong Road gesperrt
und zahlreiche Stände aufgebaut, bei denen man Tee, Schmuck,
Maulbeerpapier und andere Souvenirs kaufen kann. Kurz vor der
Sperrstunde ist um 22 Uhr Schluss.
Wir gehen schlafen und sind wieder
einmal gespannt, wie der morgige Reisetag verlaufen wird.
Fazit Tag 62:
Es lohnt sich manchmal, früh
aufzustehen (was Christina schon immer wusste).
Was haben wir heute gelernt? Laos ist
Buddhismus. Mehr noch als in den anderen Nachbarländern gehört der
Anblick von Tempelanlagen, Buddha-Statuen und orange gekleideten
Mönchen zum Alltag. Es ist bezeichnend, dass auf dem Deckblatt
vieler Reiseführer über Laos (so auch auf unserem) buddhistische
Mönche abgebildet sind. Bis zur kommunistischen Machtübernahme 1975
war der Theravada-Buddhismus Staatsreligion und ist bis heute ein
integraler Bestandteil des öffentlichen Lebens in diesem Land.
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