Der Wecker klingelte um 06:00.
Frühaufstehen für die Besichtigung des Taj Mahal. Ein Blick aus dem
Fenster bestätigt unsere Befürchtungen: überall dichter Nebel.
Wir frühstücken die obligatorischen
Toasts mit Marmelade (hier eher ein Marmeladensandwich: drei Toasts
übereinander), trinken eine Flüssigkeit, die Coffee heißt, dunkel
aussieht und wie gezuckertes Wasser schmeckt, und gehen durch die
Dunkelheit zum Ticket Office. Wir sind dank der Infos der Reiseführer
und unseres Fahrers vorbereitet: Ticketpreis ist bekannt, fragen ob
das Stativ erlaubt ist, nach der gratis Wasserflasche pro Ticket
bitten und die Plastiküberzieher für die Schuhe nicht vergessen.
Danach vor das Ticketoffice und auf den öffentlichen Bus warten, der
einen für nur 5 INR (indische Rupien) zum Taj Mahal fährt. Einziger
Haken an der Sache: Wir wissen nicht wie der Bus aussieht.
Selbstverständlich warten schon mehrere Rikscha Fahrer auf uns, die
uns erzählen, dass der Bus ausfällt, dass der Bus unfassbar teuer
ist, dass der Bus unfassbar überfüllt ist und überhaupt viel zu
lange braucht. Aus der nebligen Morgendunkelheit tauchen auch einige
Fahrzeuge auf, die uns mitnehmen wollen. Man muss Vertrauen haben und
warten. Und tatsächlich erscheint unser Bus mit Fahrer, der
eigentlich gar kein Geld haben will, dem wir aber (auch als Dank für
die Unaufdringlichkeit) nach Ankunft trotzdem die 10 INR geben.
Der Taj Mahal ist Teil des
UNESCO-Weltkulturerbes. Seiner perfekten symmetrischen Form hat er zu
verdanken, dass ihn einige Leute als schönstes Bauwerk der Welt
bezeichnen. Er ist jedenfalls ein sehr gutes und schönes Beispiel
für die islamische Baukunst im Mogulzeitalter. Der Taj Mahal ist
eine Grabmoschee, die Großmogul Shah Jahan aus Trauer über den Tod
seiner dritten Frau Mumtaz Mahal, die bei der Geburt ihres 14. Kindes
starb, errichtete. Baubeginn war 1631. Shah Jahan wurde nach seinem
Tod neben seiner Frau im Taj begraben. Es sollen 20.000 Arbeiter aus
Indien, Zentralasien und Europa an dem Bauwerk gearbeitet und dabei
wertvolle Edelsteine in die marmorne Grundkonstruktion eingefügt
haben. Interessant: Die vier Minarette sind leicht vom Gebäude
weggeneigt gebaut wurden, so dass sie im Fall eines Erdbebens den Taj
Mahal nicht zerstören würden.
Unsere Einschätzung: Es ist
tatsächlich ein beeindruckendes, großes und schönes Gebäude.
Faszinierend sind die Menge an verbautem Marmor und die unendlich
vielen kleinen Verzierungen. Wahrscheinlich zu Recht sagte ein Inder,
den wir später auf der Reise trafen, „it is the pride of India“.
Ob es das schönste Gebäude der Welt ist, darüber lässt sich
streiten. Leider können wir euch nicht so richtig zeigen, was genau
wir gesehen haben, da der Nebel tatsächlich kein richtiges Foto
zuließ. Der Taj steht direkt am Ufer des Flusses Yamuna und ist im
Winter regelmäßig in dicke Nebelschwaden gehüllt. Ihr müsst euch
also auf unsere Beschreibungen verlassen oder in diesem Foto nach dem
Taj Mahal suchen :)
Für alle, die ihn nicht gefunden haben: hier noch ein Beweis, dass wir wirklich dort waren (Aufgrund der mangelhaften Qualität schweren Herzens von unserer Fotografin zur Verfügung gestellt...).
Nach dem wir im Hotel ausgecheckt
haben, machten wir uns auf den Weg in den Süden zu unserem nächsten
Ziel: den Ranthambhore National Park bei Sawai Madhopur, berühmt
durch seine Tigersafaris.
Doch vorher machten wir noch in der
Nähe von Agra in der Ruinenstadt Fatehpur Sikri halt. Diese
ehemalige Stadt war für eine kurze Zeit die Hauptstadt des Reichs
von Großmogul Akbar. Akbar besuchte die Stadt Sikri, um den Sufi
Heiligen Shaikh Salim Chishti aufzusuchen, der ihm die Geburt eines
Thronnachfahren prophezeite. Als die Prophezeiung Realität wurde,
baute Akbar als Dank seine neue Hauptstadt in Sikri. Sie beinhaltete
u. a. drei Paläste, je einer für seine Lieblingsfrauen: eine Hindu,
eine Muslimin und eine Christin. Nach Akbars Tod wurde die Stadt
allerdings schnell verlassen, da sie in einem sehr wasserarmen Gebiet
gebaut wurde.
Auch bei diesen Bildern lässt sich
schnell das Thema des Tages erkennen: Nebel. Aber diesmal passten die
Schwaden in das Bild einer Geisterstadt.
Zu erwähnen: hier sind uns
erschreckenderweise zum ersten Mal aggressiv bettelnde Kinder
begegnet. Es bleibt unklar, ob das ihnen gegebene Geld wirklich bei
ihnen bleibt oder an Hintermänner weitergegeben wird.
Im Laufe der Weiterfahrt verschwand
langsam der dichte Nebel und die Sonne machte sich bemerkbar. Wir
verließen (endlich) Agra und gelangten in deutlich ländliche
Regionen. Dabei überquerten wir endlich die Grenze des Bundesstaats,
den wir für die restliche Zeit hier bereisen werden: Rajasthan,
„Land der Könige“. Dazu aber später mehr.
Einerseits tut es gut aus den Städten
zu kommen und eine Landschaft zu sehen, die sehr schön ist. Viele
Felder, erstaunlich viele Rapsanbaugebiete und grüne Hügel.
Andererseits zeigt sich: der Verkehr ist auf dem Land noch verrückter
(das bestätigt uns auch Raj). Auf einer einzigen kleinen Asphaltspur
ist es durchaus üblich mit seinem Pkw einen Laster unter ständigem
Gehupe zu überholen, während gleichzeitig der entgegenkommende
Rikscha-Fahrer eine Lücke finden muss. Auch auf die Gefahr hin, dass
wir uns bei der Schilderung des Verkehrs wiederholen und etwaige
Leser langweiligen, aber dieser Verkehr verdient einfach eine
eindringliche Schilderung.
Was sich ebenfalls zeigt: die mitunter
bittere Armut und die einfachsten Lebensverhältnisse auf dem Land.
Wovon bereits die Städte schon zeugen, wird auf dem Land
fortgeführt: Lebensmittel werden einen Schritt neben Müllbergen
verkauft, in denen Kühe und unzählige abgemagerte Hunde nach
Essbarem wühlen, während ein Schritt weiter Kinder im Dreck spielen
und daneben Traktoren repariert werden oder die Ärmsten unter den
Armen in Zelten wohnen oder sich gerade waschen. Man ist mitgenommen
und denkt sich gleichzeitig, wie es in den Slums der Großstädte
erst aussehen muss.
Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir vor
den Toren des Ranthambhore National Parks an. Er ist nicht nur eine
beliebte Attraktion für ausländische Touristen, auch viele Inder
reisen regelmäßig hierher, um die freilebenden Tiere und die Natur
zu erleben. Den meisten geht es natürlich darum einen der wenigen
Tiger zu sehen. Wir buchen eine Safari für den frühen Morgen und
sind aber vorgewarnt, dass es durchaus Glückssache ist einen Tiger
zu Gesicht zu bekommen.
Fazit Tag 3:
Die nordindischen Winter sind neblig.
Was haben wir heute gelernt? Die größte
Demokratie der Welt fusst auf einem Kastensystem. Das heißt, dass
alle Inder unveränderlich in eine bestimmte gesellschaftliche
Schicht geboren werden. Die indische Gesellschaft ist in vier Kasten
eingeteilt: Die erste Klasse sind die „Brahmanen“, traditionell
die intellektuelle Elite und die Priester. Die zweite Klasse sind die
„Kshatriyas“, die Krieger, Fürsten und höheren Beamten. Die
dritte Klasse sind die „Vaishyas“, die „Businesspeople“ laut
unserem Fahrer. Und die vierte Klasse sind die „Shudras“, die
lower class, einfache Arbeiter und Tagelöhner. Die traditionellen
Berufe werden heute natürlich nicht mehr unbedingt ausgeübt, die
Einteilung ist aber geblieben. Sie spielt insbesondere bei Heirat
(nur in derselben Kaste) und Arbeit eine Rolle. Raj sagt uns, dass er
bereits am Namen erkennen kann, wer welcher Kaste angehört.
Gleichzeitig erklärt er aber auch, dass die Regierung seit einigen
Jahren eine absolute Gleichheit der Bürger vorgeschrieben hat.
Theoretisch kann wohl jeder jeden Beruf ausüben. Die Kaste sagt wohl
auch nicht viel über den Wohlstand einer Person aus. Praktisch
scheint uns das allerdings nicht der Fall zu sein; wie in jeder
Gesellschaft spielen die traditionellen und jahrelang praktizierten
Institute eine gewichtige Rolle. Vielleicht ist Raj auch zu höflich,
um eine andere Aussage zu treffen. Er sagt, er gehöre in die Kaste
der „Shudras“.
In diesem Stil bitte weitermachen. Es kommt bei uns supper an. Jeden Abend eine Gutenachtgeschichte :))
AntwortenLöschenSehr schöne Mitzieher!!!
Gruß
Viktor