Weiter geht’s zurück in den
Nordwesten und in die Wüste Thar. Udaipur bleibt uns als Highlight
der Tour in Erinnerung.
Exkurs weitere Reiseplanung: Nach den
Aufenthalten in Pushkar und Udaipur haben wir beschlossen, früher
von Delhi nach Bangkok weiterzufliegen. Die kalten Nächte in Delhi
und Agra gepaart mit dem größer werdenden Verlangen nach Sonne und
Meer haben uns veranlasst, unseren Flug um ein paar Tage auf den
18.01. um 11:25 vorzuverlegen. Um nicht gleich von Bangkok erschlagen
zu werden, wollen wir am selben Tag gleich nach Phuket weiterreisen.
Wir freuen uns schon auf den Strand!
Wir sprechen diesen Vormittag über
Hochzeiten in Indien und wie sich Mann und Frau eigentlich
kennenlernen. Raj erzählt. (Und wie immer gilt: Wir versuchen nach
unserem besten Verständnis und nach der besten Erinnerung dies
wiederzugeben.) Der Tradition entsprechend würden die Eltern der
(heiratswilligen? Heiratsfähigen?) Frau die Suche nach einem
geeigneten Mann initiieren. Dazu kontaktieren sie Verwandte und
Bekannte, die nach diesem Mann suchen sollen oder ihnen mitteilen,
wenn sie bereits einen kennen. Wenn fündig geworden, sprechen diese
Mittler die Eltern des Mannes an und erforschen, ob Heiratsinteresse
besteht. Es werden nun die für eine Heirat relevanten Informationen
ausgetauscht: Kastenidentität, Vermögen der Parteien, Beruf des
Mannes und Zukunftsperspektiven. Bei einem positiven Ergebnis, treten
nun die jeweiligen Eltern direkt in Kontakt. Danach lernt die Familie
der Frau (ohne die Frau) den Mann selbst kennen. Im nächsten Schritt
würde die Familie des Mannes, mit dem Mann, endlich in das Haus der
Familie der Frau kommen und die beiden, nun ja, sagen wir mal
Liebenden sehen sich endlich das erste Mal. Das Paar genießt nun den
Luxus sich einige Tage bekannt zu machen. Im nächsten Schritt wird
ein Hindu-Priester aufgesucht, ein Brahmin, der anhand der jeweiligen
Horoskope den perfekten Hochzeitstermin festlegt.
Dann wird Hochzeit gefeiert. Sie findet
im Haus der Frau statt. Es ist nicht unüblich, dass mehr als 400
Personen erscheinen und dass die ganze Nacht getanzt, gefeiert,
gegessen und getrunken wird. Der eigentliche Hochzeitsakt besteht
darin, dass die Braut und der Bräutigam sieben Mal um ein Feuer
unter Beisein eines Priesters herumgehen. In diesem Zusammenhang:
Während unseres gestrigen Kochkurses hat Shashi eine Einladung zu
einer Hochzeit erhalten. Da Verwandte von ihr heiraten, hat sie uns
vier sogleich auch eingeladen. Leider sind wir zu diesem Zeitpunkt
schon in Südostasien.
Was passiert nach der Hochzeit? Die
Frau verlässt ihr Heimatdorf und zieht bei der Familie des Mannes
ein, der noch zu Hause bei seinen Eltern wohnt und auch nach der
Hochzeit wohnen bleibt. Die Eltern des Mannes erhalten, je nach
vorheriger Vereinbarung, eine Brautsumme von den Eltern der Frau, die
auch in Naturalien abgeleistet werden kann. Die Frau selbst kann je
nach vorheriger Vereinbarung entweder arbeiten gehen oder sich zu
Hause um den Nachwuchs kümmern. Sie hat sich jedoch zu verschleiern,
auch das Gesicht, da sie sich im Dorf des Mannes befindet und ihre
Schönheit nur ihrem Mann vorbehalten ist (in ihrem Heimatdorf müsste
sie sich interessanterweise nicht verschleiern). Gerade in den
kleineren Städten hier in Rajasthan kann man so sehr schnell
unterscheiden, welche Frauen verheiratet und welche es nicht sind.
Man kann sich gut vorstellen, welche
Auswirkungen diese traditionellen Verhaltensstrukturen auf die Rolle
der Frau in Indien haben. Mit Blick auf die „Abgabenpflicht“ der
Eltern der Frau und dem faktischen Verlust eines Familienmitglieds
fällt es nicht mehr schwer, Beschreibungen über die
männerdominierte Gesellschaft Indiens zu glauben oder zu erraten, ob
nach hiesigen Vorstellungen der Glücksfall die Geburt eines Jungen
oder die eines Mädchens ist.
Trotzdem darf man wohl nicht vergessen,
dass sich auch Indien modernen Entwicklungen nicht verschließen
kann. Größere Städte erweisen sich in jedem Land als moderner und
traditionsunabhängiger. In Delhi können sich Männer und Frauen
direkt kennenlernen, sei es abends beim Weggehen oder wie häufig auf
der Arbeit. Die aktuelle landesweite Debatte über die Aufwertung der
Position der indischen Frau, ausgelöst durch einen der vielen
tragischen Übergriffe auf eine Frau in Delhi im Dezember vergangenen
Jahres, könnte vielleicht den nächsten Schritt machen, sich von aus
unserer Sicht überkommenen Geschlechtervorstellungen zu lösen.
Auf unserem heutigen Weg nach Jodhpur
machen wir einen Stop im entlegenen Ranakpur. Hier steht der
angeblich schönste und bekannteste marmorne Jain-Tempel des Landes.
Er besteht aus 29 Hallen, 80 Kuppeln und 1444 verschieden
geschnitzten Säulen.
Die Jain Strömung entwickelte sich wohl als
Reformbewegung aus dem Hinduismus, die die Macht der Priester und die
komplizierten Rituale ebenso wie das hinduistische Kastensystem
ablehnte. Die Anhänger glauben an Wiedergeburt, predigen
Gewaltlosigkeit und den Schutz allen Lebens. Priester einer radikalen
Unterströmung gehen so weit, dass sie die Straße, die sie betreten,
vorher fegen, um auf keine Tiere zu treten und sich den Mund mit
einem Tuch bedecken, um keine Insekten einzuatmen.
Vor Sonnenuntergang erreichen wir
Jodhpur, the blue city. Es ist eine hektische Basarstadt, die am Fuße
eines riesigen Forts liegt.
Näheres gibt es im morgigen Beitrag. Wir
bleiben den Abend, die Nacht und den Vormittag des nächsten Tages.
Fazit Tag 10:
Wir sind froh, nicht in einer
arrangierten Ehe leben zu müssen.
Was haben wir heute gelernt? In einen
Jain-Tempel dürfen keine Lederartikel gebracht werden. Und auf die
Anweisungen in den folgenden Bildern sollte man auch achten:
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