Samstag, 12. Januar 2013

Udaipur nach Jodhpur

Weiter geht’s zurück in den Nordwesten und in die Wüste Thar. Udaipur bleibt uns als Highlight der Tour in Erinnerung.

Exkurs weitere Reiseplanung: Nach den Aufenthalten in Pushkar und Udaipur haben wir beschlossen, früher von Delhi nach Bangkok weiterzufliegen. Die kalten Nächte in Delhi und Agra gepaart mit dem größer werdenden Verlangen nach Sonne und Meer haben uns veranlasst, unseren Flug um ein paar Tage auf den 18.01. um 11:25 vorzuverlegen. Um nicht gleich von Bangkok erschlagen zu werden, wollen wir am selben Tag gleich nach Phuket weiterreisen. Wir freuen uns schon auf den Strand!

Wir sprechen diesen Vormittag über Hochzeiten in Indien und wie sich Mann und Frau eigentlich kennenlernen. Raj erzählt. (Und wie immer gilt: Wir versuchen nach unserem besten Verständnis und nach der besten Erinnerung dies wiederzugeben.) Der Tradition entsprechend würden die Eltern der (heiratswilligen? Heiratsfähigen?) Frau die Suche nach einem geeigneten Mann initiieren. Dazu kontaktieren sie Verwandte und Bekannte, die nach diesem Mann suchen sollen oder ihnen mitteilen, wenn sie bereits einen kennen. Wenn fündig geworden, sprechen diese Mittler die Eltern des Mannes an und erforschen, ob Heiratsinteresse besteht. Es werden nun die für eine Heirat relevanten Informationen ausgetauscht: Kastenidentität, Vermögen der Parteien, Beruf des Mannes und Zukunftsperspektiven. Bei einem positiven Ergebnis, treten nun die jeweiligen Eltern direkt in Kontakt. Danach lernt die Familie der Frau (ohne die Frau) den Mann selbst kennen. Im nächsten Schritt würde die Familie des Mannes, mit dem Mann, endlich in das Haus der Familie der Frau kommen und die beiden, nun ja, sagen wir mal Liebenden sehen sich endlich das erste Mal. Das Paar genießt nun den Luxus sich einige Tage bekannt zu machen. Im nächsten Schritt wird ein Hindu-Priester aufgesucht, ein Brahmin, der anhand der jeweiligen Horoskope den perfekten Hochzeitstermin festlegt.

Dann wird Hochzeit gefeiert. Sie findet im Haus der Frau statt. Es ist nicht unüblich, dass mehr als 400 Personen erscheinen und dass die ganze Nacht getanzt, gefeiert, gegessen und getrunken wird. Der eigentliche Hochzeitsakt besteht darin, dass die Braut und der Bräutigam sieben Mal um ein Feuer unter Beisein eines Priesters herumgehen. In diesem Zusammenhang: Während unseres gestrigen Kochkurses hat Shashi eine Einladung zu einer Hochzeit erhalten. Da Verwandte von ihr heiraten, hat sie uns vier sogleich auch eingeladen. Leider sind wir zu diesem Zeitpunkt schon in Südostasien.

Was passiert nach der Hochzeit? Die Frau verlässt ihr Heimatdorf und zieht bei der Familie des Mannes ein, der noch zu Hause bei seinen Eltern wohnt und auch nach der Hochzeit wohnen bleibt. Die Eltern des Mannes erhalten, je nach vorheriger Vereinbarung, eine Brautsumme von den Eltern der Frau, die auch in Naturalien abgeleistet werden kann. Die Frau selbst kann je nach vorheriger Vereinbarung entweder arbeiten gehen oder sich zu Hause um den Nachwuchs kümmern. Sie hat sich jedoch zu verschleiern, auch das Gesicht, da sie sich im Dorf des Mannes befindet und ihre Schönheit nur ihrem Mann vorbehalten ist (in ihrem Heimatdorf müsste sie sich interessanterweise nicht verschleiern). Gerade in den kleineren Städten hier in Rajasthan kann man so sehr schnell unterscheiden, welche Frauen verheiratet und welche es nicht sind.

Man kann sich gut vorstellen, welche Auswirkungen diese traditionellen Verhaltensstrukturen auf die Rolle der Frau in Indien haben. Mit Blick auf die „Abgabenpflicht“ der Eltern der Frau und dem faktischen Verlust eines Familienmitglieds fällt es nicht mehr schwer, Beschreibungen über die männerdominierte Gesellschaft Indiens zu glauben oder zu erraten, ob nach hiesigen Vorstellungen der Glücksfall die Geburt eines Jungen oder die eines Mädchens ist.
Trotzdem darf man wohl nicht vergessen, dass sich auch Indien modernen Entwicklungen nicht verschließen kann. Größere Städte erweisen sich in jedem Land als moderner und traditionsunabhängiger. In Delhi können sich Männer und Frauen direkt kennenlernen, sei es abends beim Weggehen oder wie häufig auf der Arbeit. Die aktuelle landesweite Debatte über die Aufwertung der Position der indischen Frau, ausgelöst durch einen der vielen tragischen Übergriffe auf eine Frau in Delhi im Dezember vergangenen Jahres, könnte vielleicht den nächsten Schritt machen, sich von aus unserer Sicht überkommenen Geschlechtervorstellungen zu lösen.

Auf unserem heutigen Weg nach Jodhpur machen wir einen Stop im entlegenen Ranakpur. Hier steht der angeblich schönste und bekannteste marmorne Jain-Tempel des Landes. 


Er besteht aus 29 Hallen, 80 Kuppeln und 1444 verschieden geschnitzten Säulen. 




Die Jain Strömung entwickelte sich wohl als Reformbewegung aus dem Hinduismus, die die Macht der Priester und die komplizierten Rituale ebenso wie das hinduistische Kastensystem ablehnte. Die Anhänger glauben an Wiedergeburt, predigen Gewaltlosigkeit und den Schutz allen Lebens. Priester einer radikalen Unterströmung gehen so weit, dass sie die Straße, die sie betreten, vorher fegen, um auf keine Tiere zu treten und sich den Mund mit einem Tuch bedecken, um keine Insekten einzuatmen.





Vor Sonnenuntergang erreichen wir Jodhpur, the blue city. Es ist eine hektische Basarstadt, die am Fuße eines riesigen Forts liegt. 


Näheres gibt es im morgigen Beitrag. Wir bleiben den Abend, die Nacht und den Vormittag des nächsten Tages.

Fazit Tag 10:

Wir sind froh, nicht in einer arrangierten Ehe leben zu müssen.

Was haben wir heute gelernt? In einen Jain-Tempel dürfen keine Lederartikel gebracht werden. Und auf die Anweisungen in den folgenden Bildern sollte man auch achten:




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