Die Nacht war schön warm. Genauer:
Unser Hotelzimmer hat sich tagsüber aufgeheizt und war nachts immer
noch schön warm. Wieder ein Novum in Indien. Wir mussten mal nicht
in langen Klamotten schlafen.
Udaipur mit seinen kleinen
Basarstraßen, vielen innerstädtischen Hügeln und den umliegenden
Bergen gefällt uns. Das viele Wasser und die dicht daran gebauten
Häuser erinnern an Venedig bzw. an Venedig, wie wir es uns
vorstellen.
Die Innenstadt ist fußläufig gut zu durchqueren und man
sieht dementsprechend auch öfter europäische, australische oder
amerikanische Touristen. In den anderen Städten gehen sie zwischen
den vielen Indern einfach unter und man hat das Gefühl der einzige
Ausländer in Indien zu sein. Markantes Kennzeichen der Stadt: jedes
Haus bietet ein roof-top Establishment an, auf dem man die tolle
Aussicht genießen kann. Beispielhafte Werbung dafür: „Great
Roof-top Restaurant with real coffee machine“ ; „Highest Roof-top
Restaurant in Udaipur with German Bakery“ ; „Better than the
Highest Roof-top Restaurant in Udaipur“.
Mindestens ebenso
wichtiges Kennzeichen von Udaipur: regelmäßige Stromausfälle. Das
bedeutet, dass wir hier nicht durchgehend Wi-Fi haben.
Wie gestern angekündigt, haben wir
heute einen indischen Kochkurs gemacht. Shashi's Cooking Classes für
600 INR pro Person für mehr als 4 Stunden hat sich vollauf gelohnt
und war eine super Erfahrung, die weiterzuempfehlen ist!
Shashi ist
vielleicht geschätzte 45 Jahre alt (?) und eine sehr freundliche und
interessante indische Frau (das erste Mal, das wir in diesem Land mit
einer Inderin längere Unterhaltungen führen konnten). Sie ist eine
Brahmin (die höchste indische Kaste) und stammte aus einem Dorf in
Rajasthan, in dem kein Hindi gesprochen wurde. Sie wurde mit ihrem
Mann aus Udaipur verheiratet, mit dem sie sich die ersten Jahre aber
nicht verständigen konnte, da dieser nur Hindi sprach. Shashi lernte
Hindi und Udaipur wurde ihre neue Heimat. Nach dem Tod ihres Mannes
musste sie ein Jahr lang trauern, schwarze Kleidung tragen und durfte
ihr Haus nicht verlassen. Die ersten 45 Tage musste sie in einer Ecke
des Zimmers sitzen, während tagsüber nach und nach andere Frauen
kamen und mit ihr weinten und trauerten. Nach der Trauerzeit
beschloss sie etwas zu tun, um Geld für ihre beiden Söhne zu
verdienen und gab zum ersten Mal einen Kochkurs an Touristen. Am
Anfang waren die Kommunikationsprobleme sehr groß, aber nach und
nach lernte sie soweit Englisch, um alles zu erklären und sich zu
verständigen. Mit Hilfe weiterer Touristen erhielt sie eine eigene
Homepage, Rezepte in verschiedenen Sprachen und lernte die Wörter
für alle Zutaten u. a. in Deutsch, Spanisch und Italienisch (u. a.
Wörter wie Kichererbsen oder Bockshornklee). Mittlerweile
unterrichtet sie seit drei Jahren und ist im Internet und Lonely
Planet als No. 1 Cooking Class in Udaipur aufgelistet. Ihrer Angabe
nach gibt sie das halbe Jahr (in der touristischen Reisezeit) jeden
Tag in der Woche einmal morgens und einmal abends Kurse für max. 4
Personen.
In den vier Stunden haben wir gelernt
wie wir „Masala Chai“ (Tee) machen können
und wie man elf
verschiedene indische Gerichte kocht, die je nach Geschmack und
Zutaten als Grundrezepte variiert werden können. Davon haben wir
etwa sieben Gerichte unter Anleitung zubereitet und natürlich
versucht, alles am Ende auch aufzuessen! Alle Rezepte haben wir
während des Kurses erhalten, um eigene zusätzliche Notizen zu
machen.
Shashi's Gewürzbox (u.a. Kümmel, Anis, Kurkuma):
Paneer-Spinat Pakoras (indischer Käse und Spinat mit Kicherbsenmehl frittiert), dazu Koriander-Chutney mit frischem Knoblauch (grün) und Mango-Chutney (braun und süß):
Walter beim Rühren (sieht doch schon ganz gut aus, oder?):
Mixed Vegetables (scharf angebratener Gemüsemix aus u.a. Blumenkohl, Paprika, Auberginen):
Unsere Lehrerin Shashi:
Christina beim Kartoffelstampfen (Wichtig hierbei: die gekochten Kartoffeln mit den Fingerspitzen sanft zerdrücken!):
Chapati drehen (das gebratene indische Brot muss mit einem Handtuch an den Rändern schnell gedreht werden):
Ein erster Erfolg: Naan gefüllt mit Tomaten-Auberginen-Masala.
Unser Tageswerk. Guten Appetit!
Vier neue Experten für indisches Essen:
Wir freuen uns schon darauf unsere
neuen Kenntnisse in Deutschland auszuprobieren. Freiwillige vor! :)
Im Kochkurs haben wir Michael und
Rebecca kennengelernt, die aus Perth (Australien) kommen, und uns
gute Tipps für Thailand und Vietnam gegeben haben.
Fazit Tag 9:
Das goldene Dreieck stinkt. Das goldene
Dreieck ist die Bezeichnung für die geographisch in einem Dreieck
angeordneten und touristisch hoch frequentierten Städte Delhi, Agra
und Jaipur. Je länger wir im restlichen Indien sind, desto mehr
genießen wir dieses tolle Reiseland und seine Menschen. Natürlich
kommt man wahrscheinlich erstmal in Delhi an und muss den Taj Mahal
in Agra sehen, aber unser Empfinden: Schnell raus da!
Oder um die treffende Beschreibung
Trojanows über Agra zu
zitieren, die wir vor der Reise gelesen, nun aber auch nachempfinden
können: „Das Taj Mahal schlägt jeden Betrachter, obwohl
schon tausendmal abgebildet, in seinen Bann. Doch um das Grabmahl der
geliebten Königsgemahlin herum erstreckt sich ein Moloch mit
stinkenden Straßen, offener Kanalisation, herumstreunenden
Schweinen, pockennarbigen Fassaden und taumelnden Baracken. Wer sich
umschaut, erlebt ein Wechselbad der Gefühle: Ekel folgt auf
Begeisterung, doch im Handumdrehen wird man wieder betört, um gleich
darauf zur Verzweiflung gebracht und doch noch vor dem
Sonnenuntergang wieder versöhnt zu werden.“
(Trojanow,
Gebrauchsanweisung für Indien, S. 13. Vgl. auch sein Buch „Der
entfesselte Globus“ mit hervorragenden Reiseberichten aus Afrika,
Indien und Asien.)
Was haben wir heute gelernt?
Hoffentlich wie man lecker indisch kocht. Und dass wir indisches
Essen lieben. Und dass wir 1/7 des Schärfegrads, den Inder
bevorzugen, als gerade noch angenehm empfinden.
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