Mittwoch, 20. Februar 2013

Don Khone - Tage 1 und 2


Auf der Inselwelt von Si Phan Don gewinnt die Sonne für uns Stadtmenschen wieder an Bedeutung. Der Sonnenaufgang beendet die Nacht und das Untergehen der Sonne hüllt die Insel, auf der er es keine Straßenlaternen gibt, wieder in Dunkelheit. Bis dahin sollte man wieder im eigenen Dorf zurück sein, es sei denn, man fährt ein ausnahmsweise beleuchtetes Moped oder ist im Besitz einer Taschenlampe. Und auch sonst zeigt sich Don Khone von seiner ursprünglichen Seite. 


Es gibt noch keine geteerten Straßen. Die sandigen Wege werden am Morgen mit Wasser begossen, damit die Motorroller und Fahrräder nicht gar so viel Dreck aufwirbeln. Freilaufende Hähne, Hühner und Küken prägen das Dorfleben. Wasserbüffel, streunende Hunde und Katzen ergänzen die tierische Geräuschkulisse.


Erstaunlicherweise werden wir aber von Stechmücken verschont, obwohl wir direkt am Fluss wohnen. Vielleicht weil gerade Trockenzeit herrscht? Wir beschweren uns jedenfalls nicht und beginnen den Tag mit einem Baguette zum Frühstück. Der französische Einfluss zeigt sich nicht nur am überall erhältlichen Weißbrot, sondern auch an der Vielzahl von französischen Schildern und französischsprechenden Touristen. Eine Essensbeilage ist jedoch ganz deutlich laotisch: „sticky rice“. Ein klebriger, in Klumpen zusammenhängender Reis, den wir als süße Variante schon in Thailand kennengelernt haben, der hier Beilage der Wahl für jede Mahlzeit ist. Er schmeckt viel besser als diese Beschreibung vielleicht vermuten lässt.

Für die Inselerkundung wählen wir ein Verkehrsmittel, das wir bis jetzt auf unserer Reise noch nicht benutzt haben: das Fahrrad. Fast jede Unterkunft und jedes Restaurant vermietet ein Zweirad, das einen gemütlich von A nach B bringt. Gemütlich ist es, wenn man davon absieht, dass die Geröllpisten einen ordentlich durchschütteln und dass die größten Fahrräder für uns immer noch einen Tick zu klein sind. Wir fahren zur nächstgelegenen Sehenswürdigkeit von Don Khone, eine alte Lokomotive aus der französischen Kolonialzeit. 


Die Franzosen versuchten im 19. Jahrhundert in Indochina, ein Sammelbegriff für die Staaten Südostasiens, der den kulturellen Einfluss Indiens und Chinas auf die Region hervorhebt, Fuß zu fassen. Sie landeten in Südvietnam und hatten bald das Mekongdelta unter ihrer Kontrolle. Das französische Kolonialreich sah, wie sich die Briten in Myanmar und in China immer größeren Einfluss verschafften und wollte so schnell wie möglich am lukrativen Handel in China teilhaben. Da wurde die Idee geboren, eine Schifffahrtsroute den Mekong entlang in Richtung Norden durch Laos einzurichten. Euphorisch schickte man Expeditionsschiffe stromaufwärts. Sie kamen jedoch nur bis Si Phan Don, den 4000 Inseln. Auf Höhe der südlichen Inseln bricht die Landschaft nämlich ab und der Mekong stürzt in vielen wilden Wasserfällen mehrere Meter in die Tiefe. Das bedeutete das Ende einer direkten Schifffahrtsverbindung, aber den Beginn der Eisenbahntrasse auf Don Khone, die das Umladen der Schiffsladungen auf die höhere Flussebene erleichterte. Von dieser Zeit berichten die informativen Tafeln neben der alten Lokomotive.


Wir prüfen die Geschichte nach und fahren zu einem der Wasserfälle, die ein solch großes Hindernis für die französische Kolonialmacht waren. In der Tat lässt sich schwer vorstellen, wie ein Handelsschiff oder Kanonenboot einen Höhenunterschied bei diesen Stromschnellen überwinden könnte.


Auf den Fahrrädern fahren wir verlassene kleine Wege durch den noch nicht ganz von der Trockenzeit ausgedörrten grünen Wald. Man sieht und hört lange Zeit niemanden, so dass man glauben könnte, auf einer einsamen heißen Insel gelandet zu sein. 



Aber einsam ist auch Don Khone nicht mehr. Während es vor zwei Jahren noch nicht einmal Stromleitungen und schon gar kein Internet gab, sind heute die Generatoren abgeschafft, stabile Leitungen gelegt und es wird Free WiFi angeboten. Auch die Gasthäuser für die Rucksacktouristen haben sich vermehrt. Weitere sind mit Sicherheit schon im Bau. Man fragt sich natürlich, ob diese Tourismusentwicklung, an der man teilnimmt, positiv ist? Mit dem Strom halten Restaurants, die westliches Essen anbieten, und größere Hotelanlagen, die aus Beton gebaut werden, Einzug. Vielleicht nicht unbedingt auf diesen Inseln, aber sicher in touristisch stärker frequentierten Städten auf dem Festland. Die Ursprünglichkeit dieses Landes geht dabei verloren, das Stadtbild gleicht sich Altbekanntem an. Auf der anderen Seite kann der Tourismus auch eine Einnahmequelle für die Bevölkerung sein. Der Ausbau der Infrastruktur verkürzt Distanzen, Hygienestandards werden gehoben, medizinische Versorgung wird verbessert, was zur Senkung der hohen Kindersterblichkeitsrate und zur Steigerung der durchschnittlichen Lebenserwartung von 54 Jahren in diesem Land führen kann. Eine mitunter schwierige Abwägung, die da getroffen werden muss.


Nach vier Kilometern erreichen wir die Südspitze der Insel. Zu Mittag essen wir in einem der typischen Restaurants, das gleichzeitig Wohnzimmer und Schlafplatz der Bewohner ist. Man hat eine tolle Aussicht auf den wie ein See wirkenden Mekong und das nur wenige Hundert Meter entfernt liegende Kambodscha. 


Hier tummeln sich die berühmtesten Bewohner der 4000 Inseln: die Irrawaddy-Delphine. Sie sind seltene Süßwasser-Delphine und gehören zur Ordnung der Wale. Ihre Tauchzeiten sind sehr kurz. Sie springen allerdings nicht an die Oberfläche, sondern zeigen nur ihren Rücken und den Kopf, der der Kopfform des Weißwals ähnelt. Diese Delphine sind uns schon im Februar 2012 ganz am Anfang der Weltreiseidee begegnet. Im Fernsehen haben wir eine Doku über zwei Rucksackreisende gesehen, die nach Laos gekommen sind, um eben jene Tiere in genau dem vor uns liegenden Gewässer zu filmen. Wir freuen uns, nun selbst an derselben Stelle zu stehen und sind gespannt, ob wir die Säuger zu Gesicht bekommen. Obwohl uns empfohlen worden ist, am frühen Morgen eine Besichtigung zu machen, beschließen wir spontan eines der vielen kleinen am Ufer liegenden Longtail-Boote zu nehmen. Es ist nicht viel los und die in der Sonne sitzenden Laoten sind gerne bereit uns auf den Fluss hinaus zu fahren. Zwei andere Touristen, ein verplanter Deutscher und ein großer Finne, schließen sich uns an.


Beim Einsteigen in das Boot werden zwei Dinge plötzlich deutlich: Unser „Skipper“ ist ein Kind, das vielleicht zwölf Jahre alt ist. Und das Boot ist eine bessere Nussschale. Wir müssen einer nach dem anderen vorsichtig einsteigen, während unser Skipper die Nussschale festhält, damit sie nicht umkippt. Der Rumpf ist so schmal, dass wir hintereinander sitzen müssen. Lehnt sich einer der Passagiere auf eine Seite, berührt die Nussschalenkante fast das Wasser. Uns treibt weniger die Angst, dass wir ein kühles Bad im Mekong nehmen könnten, sondern vielmehr dass unsere Wertsachen inklusive unserer liebgewonnenen elektronischen Begleiter in den blaugrünen Mekong verschwinden. Doch ehe wir etwas an der gefühlt schlechtesten Idee unserer Reise ändern können, haben wir abgelegt und steuern auf den Mekong hinaus. Nicht gerade beruhigend ist, dass unser Skipper mit einem kleinen Plastikeimer erst einmal Wasser aus dem hinteren Teil der Nussschale zurück in den Fluss kippt. Es nützt nichts, wir fügen uns der einstündigen Nussschalenfahrt und halten Ausschau nach den Delphinen. 


Nach zehn Minuten verlangsamen wir. Vor uns liegt die Grenze zu Kambodscha, die wir ohne eine weitere Gebühr von 2 € pro Person nicht überfahren dürfen. Und wie aus dem Nichts sehen wir sie. Zuerst in einiger Entfernung auf der kambodschanischen Seite und dann immer näher kommend, bis sie fast neben unserer Nussschale nach Luft schnappen. Wir sehen die Rücken und Finnen der Irrawaddy-Delphine, wie sie in Gruppen an die Wasseroberfläche kommen und dann wieder abtauchen. Ein tolles Erlebnis. Nur mit Mühe können wir uns einige Zeit später wieder abwenden und zurück ans Ufer fahren. Der Ausflug hat sich am Ende doch gelohnt.


Fazit Tage 48 und 49:

Laos ist heute wie früher ein beliebtes Reiseland der Franzosen. (Leider haben sie ihren leckeren Käse nicht mitgebracht.)

Was haben wir heute gelernt? In unserer Vorstellung war der Mekong ein tiefbrauner und ziemlich dreckiger Fluss. Umso erstaunter waren wir, als er sich uns hier blaugrün und klar präsentierte. Der Reiseführer erklärt das mit dem monsunalen Klima. In der Regenzeit würden die großen Wassermassen den vielen am Flussboden befindlichen Sand aufwirbeln, was zu der starken braunen Verfärbung führe, die nicht auf Verunreinigungen zurückzuführen sei. In der Trockenzeit dagegen setzt sich der Sand ab und der Mekong schimmert in klaren Farben.


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