Wieso erhalten die Busse hier immer den
Zusatz VIP? Sollen wir Fahrgäste uns geschmeichelt fühlen oder wird
damit auf die luxuriöse Ausstattung des Gefährts hingewiesen?
Beides gleichermaßen unwahrscheinlich. Auch das Attribut „sleeping“
weckt völlig falsche Erwartungen. Aber der Reihe nach. Mr. Wong hat
dafür gesorgt, dass die laotische Kontrolleurin auf unseren Tickets
die Plätze 1 und 3 notiert. Er verabschiedet sich und wir verstauen
unsere großen Rucksäcke im Gepäckfach des Busses. Die
Dreiviertelstunde bis zur Abfahrt sollen wir in einem Wartezimmer
verbringen, weist uns die Busbahnhofmitarbeiterin an. Dabei handelt
es sich um einen verglasten kleinen Raum, in dem bereits andere
Reisende warten, auf einem kleinen Teppich eine junge Laotin ein Kind
stillt und zwei andere Laoten hinter einem alten Tisch, auf dem ein
demolierter Laptop steht, ein Nickerchen halten. In der Mitte des
Raums sitzt eine großmütterlich aussehende Laotin neben ein paar
Musikboxen mit einem USB-Stick und wechselt zwischen amerikanischen
Rap- und thailändischen Popsongs hin und her. Inmitten dieser
bizarren Szenerie lernen wir Patrick (aus Großbritannien), Danny und
Vivienne (aus Malaysia) kennen, die ebenfalls nach Vientiane fahren
wollen. Danny und Vivienne haben Patrick in Myanmar kennengelernt und
sich verabredet, in Laos wieder ein Stück zusammen zu reisen.
Bleibenden Eindruck hinterlassen sie bei uns mit ihren Geschichten
von anderen Rucksackreisenden, die in diesem VIP-Sleeping-Bus nach
Vientiane von „bed-bugs“ zerstochen wurden. Man lacht darüber,
wirft einen verstohlenen Blick auf den wartenden Bus und verspürt
schon den ersten Juckreiz.
Eine halbe Stunde später steigen alle
in den Bus ein.
Dieser Nachtbus hat keine Sitze, sondern tatsächlich
nur Betten. Rechts und links ziehen sich Hochbetten entlang eines
schmalen Ganges nach hinten. Ein Bett besteht aus zwei Liegeplätzen
mit jeweiliger Nummer.
Plätze 1 und 3 befinden sich gleich vorne
links unten. Wir liegen Probe und merken gleich, dass diese
Schlafstätte für Asiaten konzipiert wurde. Die Liegefläche für
beide Personen ist 1m breit. Wenn Walter seinen Kopf gegen die Kante
drückt und seine Füße streckt, passt er der Länge nach genau in
diese Koje. Ein kleines Gitter in der Mitte des Bettes soll
verhindern, dass der innen Schlafende während der Fahrt in den Gang
fällt.
Es ist wieder einer dieser Momente, in dem wir ziemlich
glücklich darüber sind, zu zweit zu reisen. Alleinreisende werden
diese Nacht jedenfalls ihre Liegenachbarn aus nächster Nähe einige
Stunden kennenlernen. In anderen Reiseblogs wird das auch gerne mit
„Löffelchen mit einem Fremden“ beschrieben.
Mit einer halbstündigen Verspätung
fahren wir los. Für die ungefähr 700km nach Vientiane werden wir
etwa zehn Stunden brauchen. Wir erhalten Tüten, um darin unsere
Schuhe zu verpacken und in die Ablagefläche über unseren Füßen zu
unseren Rucksäcken zu legen. Es werden Decken und Kissen
bereitgestellt, die sichtlich schon die eine oder andere Fahrt ohne
eine Wäsche quer durch Laos hinter sich haben.
Christina entscheidet
sich daher für ihre Reisedecke, während Walter angesichts der Wärme
im Bus dankend auf die angebotene Decke verzichtet. Der Juckreiz
meldet sich trotzdem wieder. Insgesamt herrscht aber eine Stimmung
wie auf einer Klassenfahrt. Erst nach und nach verstummen die
Gespräche und immer mehr Füße lugen aus den Betten in den Gang
hervor. Die ersten Kilometer Fahrt haben aber bereits gezeigt, dass
eines ziemlich schwierig wird: zu schlafen. Mit einer enormen
Federung ausgestattet versucht der Bus jedes Straßenloch und jede
Bodenunebenheit mitzunehmen, um alle paar Meter bei Überholmanövern
vom rechten auf den linken und zurück auf den rechten Straßenrand
zu ziehen. Die Passagiere werden fröhlich durcheinander gewirbelt.
Nicht zu vergessen: Sollte man doch unerwartet in einen leichten
Schlaf abdriften, hilft der Busfahrer mit seiner eindringlich lauten
Hupe, die er in unregelmäßigen Abständen wie zum Gruß betätigt,
schnell wieder zurück.
Immerhin gibt es etwa alle vier Stunden
eine kurze Pause. Entweder geplant an einem hell beleuchteten
Busbahnhof oder ungeplant in völler Dunkelheit am Rand einer
Landstraße, während der Fahrer sich mit einem Schraubenschlüssel
bewaffnet von außen am Bus zu schaffen macht. Unsere Empfehlung: Die
Pausen für einen Toilettenbesuch nutzen, da das spartanische Abort
im Bus nach zwei Stunden kein Licht mehr hatte und auch sonst nur
unter Aufbietung akrobatischer Fähigkeiten zu benutzen war.
Ansonsten hatten wir eine ganz normale
Busfahrt. Und so erreichten wir nicht ganz ausgeschlafen gegen 6:30
Uhr den nördlichen Busbahnhof in der laotischen Hauptstadt. Von hier
ging es mit einem Songthaew in die Innenstadt zu unserem Hotel in der
Nähe des Mekongs. Unterwegs wurden wir Zeuge des allmorgendlichen
Bettelgangs der buddhistischen Mönche. In Gruppen gehen sie in die
Stadt und erhalten von knienden Einwohnern Nahrungsspenden. Ihre
orangenen Roben leuchten dabei in der aufgehenden Sonne.
Vientiane zählt etwa 400.000 Einwohner
und ist seit 1975 Hauptstadt der Demokratischen Volksrepublik Laos
und die größte Stadt des Landes. Unser Reiseführer spricht von
einer „Großstadt mit Dorfcharakter“ und verspricht, dass man für
die Sehenswürdigkeiten maximal zwei Tage benötige. Euphorisch geht
anders. Wir wollen uns selbst ein Bild machen von diesem Gegenentwurf
zu Bangkok und sind gespannt auf die Besuche des Triumphbogens, der
schönen Tempel und eines Museums über die Nachwirkungen der
heftigen Bombardierung des Landes während des Vietnamkrieges.
Fazit Tag 52:
Wir...sind...so...müde.
Was haben wir heute gelernt? Im
Buddhismus gilt das Betteln von Nahrung ebenso wie die Gewährung
solcher Gaben als heilvolle Handlung. Alle Lebensmittel müssen bis
12 Uhr zu sich genommen werden, danach wird gefastet.
A la bonheur: trotz schwerer Lider wieder ein interessanter Blog ...
AntwortenLöschenEl Golfo
Danke für euren eindrucksvollen und humorvollen Artikel, wir machen anderen zwei Liegeplätze frei und fliegen ... Macht weiter so.
AntwortenLöschenKarsten