Kanab nach Hurricane.
Zurückgelegte Meilen: 265
Am Mittag des 17.06. steht fest, dass
wir irgendwann noch einmal in den Südwesten der USA reisen müssen,
um dann endlich die Wave zu sehen. Leider wurde unsere Kugel auch bei
der vierten und unserer letzten Lotterieteilnahme (wieder etwa 50
Anwesende) nicht gezogen. Richtig traurig können wir darüber gar
nicht sein, denn dafür fahren wir heute zu einem der beliebtesten
Naturschutzgebiete in der Gegend: Es geht zum Zion Nationalpark.
Die Fahrt von Kanab nach Springdale,
der Ortschaft am Parkeingang, führt über den Highway 89 und dann
über den sehenswerten Highway 9 in Richtung Nordwesten. Auf dieser
Route durchquert man das pittoreske Zion Plateau und passiert die
Haltebucht für das „Checkerboard Mesa“. Die horizontalen Linien
dieses Schachbrett-Tafelbergs entstanden entlang der
unterschiedlichen Sandsteinschichten, die hier abgelagert wurden,
während die vertikalen von Verwitterungsprozessen geschaffen wurden.
Etwa zwei Meilen nach dem Checkerboard
Mesa erreicht man den Parkeingang und kurz danach geht es in
geschwungenen Serpentinen hinab in das Tal. Von hier oben sieht man
die fantastische Berglandschaft, die man später nur von unten
bestaunen wird und die die ersten Siedler veranlasst hat, die Gegend
als Tempel Gottes zu bezeichnen. Während man also im Grand Canyon in
die Tiefen der Schluchten hinunterblickt, muss man im Zion seine
Augen die meiste Zeit nach oben richten. Ein weiterer Unterschied ist
die grüne Vegetation hier, die tolle Farbkontraste mit den roten
Steinen schafft.
Wir fahren zunächst nach Springdale
und versuchen bei der großen Auswahl an Hotels und Motels eine
bezahlbare Unterkunft für uns zu finden. Leider vergeblich. Das
günstigste Zimmer mit Queenbett hat immer noch 110 $ plus tax
gekostet. Da wir hier vier Nächte bleiben wollen, fahren wir lieber
weiter ins 20 Meilen entfernte Hurricane und hoffen auf günstigere
Angebote. In der 15.000 Einwohnerstadt sind die Unterkünfte (und
Essens- und Spritpreise) wie zu erwarten deutlich günstiger. Wir
quartieren uns in der Travelodge für 56 $ inkl. tax pro Nacht ein.
Dort planen wir die nächsten Tage. Morgen wollen wir in die „Virgin
Narrows“ hiken. Die Narrows sind eine steile enge Felsschlucht,
durch die der Virgin River fließt. Da man für diese Wanderung durch
den Fluss waten muss, mieten wir im Outfitter in Springdale die
nötige Ausrüstung: Neoprensocken, wading-shoes und wading-sticks
für 20 $ pro Person. Übermorgen wollen wir zur Entspannung den
Hauptcanyon des Nationalparks mit dem Shuttlebus erkunden. Am dritten
und letzten Tag soll es dann auf die spannende Wanderung zur „Subway“
gehen. Für diese Tageswanderung, die die meiste Zeit durch einen
Fluss und über mannshohe Steinbrocken führt, braucht man allerdings
ein „wilderness permit“, für das man sich kurzfristig in einem
online-Losverfahren bewerben kann. Anders als bei der Wave kann sich
hier jeder von uns für zwei Tickets bewerben. Vor dem Schlafengehen
geben wir also noch schnell unsere Daten ein und bezahlen die 5 $ pro
Antrag für das Losverfahren.
Um die Menschenmassen zu vermeiden und
das beste Licht in den Narrows zu genießen, muss man leider am
frühen Morgen mit dem Hike beginnen. Das heißt, dass wir zum
wiederholten Mal unseren Wecker auf 5 Uhr stellen und in der
Dunkelheit des 18.06. die 20 Meilen zum Nationalpark zurücklegen.
Wir parken am Visitor Center, schlüpfen in die engen Neoprensocken
und die klobigen wading-shoes und nehmen mit Stativ, wading-sticks,
Kameratasche und Rucksack ausgerüstet den zweiten Shuttle-Bus des
Tages in den Zion Canyon (in der high-season ist die Straße für den
privaten Autoverkehr gesperrt). Eine halbe Stunde später steigen wir
an der letzten Haltestelle der Stichstraße, „Temple of Sinawava“,
aus und starten um 7 Uhr mit der Wanderung.
Zunächst läuft man noch eine Meile
auf einem asphaltierten Weg neben dem Fluss entlang, bevor man dann
in das kalte Nass steigen muss. Der Virgin River wird ab hier zu
beiden Seiten von steilen Felswänden begrenzt und führt über ein
steiniges Flussbett. Es kostet etwas Überwindung ins knöchel- bis
knietiefe Wasser zu steigen, aber der erste Kälteschock ist dank der
Neoprensocken schnell vergessen.
Nach den letzten Beschwerden diesmal etwas leichter: Wer findet Walter?
Wir waten flussaufwärts und
versuchen die tiefen Wasserstellen zu umgehen, indem wir uns im
zickzack durch den Virgin River vorkämpfen.
Die wading-shoes bieten
mit ihrer Gummisohle guten Halt auf den rutschigen Steinen und die
wading-sticks helfen bei stärkeren Strömungen.
Um diese Uhrzeit ist
zudem kaum etwas los und wir haben die atemberaubende Schlucht fast
für uns alleine.
Außerdem macht es eine Menge Spaß zur Abwechslung
durch einen Fluss zu wandern.
Je weiter flussaufwärts wir kommen,
desto enger wird die Schlucht.
Kurz vor der Kreuzung mit dem
„Orderville Canyon“ erreichen wir die „Wall Street“, eine
fantastische Engstelle des Virgin Rivers, die zu dieser Tageszeit in
schönes Licht getaucht ist.
Die steilen Felswände scheinen golden
zu leuchten.
Ein paar Flussbiegungen nach dem Orderville Canyon
machen wir nach drei gelaufenen Meilen auf einer kleinen Sandbank
Rast und wärmen unsere Füße in der nun hereinstrahlenden Sonne
auf.
Nach dem Mittagssnack machen wir uns
gegen 11 Uhr auf den Rückweg.
Was während des Hinwegs dank des
indirekten Lichts noch tolle Fotomotive geliefert hat, liegt jetzt in
der Sonne und wirkt etwas ausgewaschen. Dafür kommen wir mit
weggepacktem Stativ deutlich schneller voran. Mittlerweile kommen uns
auch etliche Tageswanderer entgegen. Insbesondere Familien mit Kinder
haben ihren Spaß im jetzt angenehm kühlen Nass. Nach einer weiteren
Stunde wird es dann so voll, dass sich eine lange Menschenschlange
bildet, die sich in die Narrows schiebt. Unmöglich jetzt
menschenleere Fotos wie heute Morgen zu machen. Wir sehen aber, dass
man eine wading-Ausrüstung offensichtlich nicht braucht: Ein älteres
Ehepaar stapft in ihren Turnschuhen und Jeans durch den knietiefen
Virgin River.
Nach knapp sechs Stunden sind wir
wieder an der Shuttle-Bus Haltestelle. Während wir auf dem Hinweg
noch vier Stunden gebraucht haben, konnten wir den Rückweg
(stromabwärts) ohne Fotostopps in 1:50h zurücklegen. Unsere Füße
bedanken sich, als wir am Auto endlich aus den doch etwas
ungemütlichen wading-shoes schlüpfen. Wir fahren schnell zurück
nach Hurricane und bekämpfen unseren großen Hunger im JR's. Zurück
im Hotel erfahren wir dann, dass einer unserer beiden Anträge für
die „Subway permits“ für übermorgen in der Lotterie gezogen
wurde! Endlich ein Losverfahren nach unserem Geschmack. Morgen werden
wir also gemütlich mit dem Shuttle-Bus fahren, um dann am nächsten
Tag die 16 Kilometer Wanderung zur Subway in Angriff nehmen zu
können.
Die Hauptattraktionen im Zion
Nationalpark liegen entlang des Zion Canyon Scenic Drives, einer 10
Kilometer langen Stichstraße.
Am 19.06. parken wir wieder am Visitor
Center und nehmen von dort den Bus. Parken mitten am Tag bedeutet bei
den aktuellen Besuchermassen, dass man eine halbe Stunde nach einem
Platz suchen muss. Der Zion Nationalpark ist für uns der gefühlt am
meisten besuchte Park, den wir bislang gesehen haben.
Wir steigen u.a. am „Weeping Rock“
aus und laufen etwas an der Straße weiter, um einen schönen Blick
auf die berühmte Felsformationen zu haben, die sich „Great White
Throne“ nennt.
Das andere große steinerne Wahrzeichen
des Parks ist der „Watchman“. Dieser Berg liegt in der Nähe des
Visitor Centers, lässt sich aber am besten vom Flussbett in der Nähe
der Brücke vor der Stichstraße fotografieren.
Bevor wir am späten Nachmittag wieder
nach Hurricane fahren, treffen wir die letzten Vorbereitungen für
den Subway Hike. Wir leihen uns erneut wading-Ausrüstung aus, holen
unsere gewonnenen „permits“ ab (eine muss hinter der
Windschutzscheibe im Auto bleiben und die andere bei sich geführt
werden), für die wir noch 6 $ pro Person zahlen müssen, und
informieren uns über die aktuelle Wassertiefe des Flusses und den zu
laufenden Trail. Danach geht’s schnell ins Bett, denn morgen
klingelt der Wecker wieder ziemlich früh.
Ziemlich früh bedeutet um genau zu
sein 4:20 Uhr. Wir wollen rechtzeitig am Trailhead sein, um im ersten
Dämmerlicht los zu laufen. Die besten Fotos von der Subway, dem
heutigen Tagesziel, lassen sich nur bis „mid-morning“ machen,
weil sie danach direkt von der Sonne beschienen wird. Also sitzen wir
am 20.06. um kurz vor 5:00 Uhr mit zwei starken Kaffee im Auto und
fahren Richtung Zion Nationalpark. Um zur Subway zu kommen, muss man
allerdings nicht in den Hauptteil des Parks fahren, sondern vorher
(aus Westen kommend) in der kleinen Ortschaft Virgin auf die Kolob
Terrace Road abbiegen, die in einen weniger besuchten Teil des
Nationalparks führt.
Als wir das Auto am Parkplatz um 5:30
Uhr stehen lassen, ist die Sonne zwar noch nicht aufgegangen, aber
schon so hell, dass man den Weg erkennen kann. Auf der ersten Meile
gibt es nämlich noch einen klar erkennbaren Trail.
Die Schwierigkeit
im ersten Teilstück liegt aber darin, dass man sich auf einem
Plateau befindet und über einen rutschigen, steinigen Pfad etwa 100
Höhenmeter hinunter in ein Flussbett kommen muss.
Hier der Blick hinunter (aufgenommen auf dem Rückweg):
Das klappt diesmal
ohne Verluste und das Stativ kommt auch unbeschadet unten an. Wir
haben bloß jetzt schon keine Lust darauf, diesen Berg nachher mit
etwa 14 Kilometern in den Beinen wieder hoch zu kraxeln.
Ist man im Flussbett, wird der Weg
nicht unbedingt leichter, aber macht (zumindest uns) mehr Spaß. Den
einen Trail gibt es nicht mehr. Man sieht hin und wieder verschiedene
Pfade und muss selbst entscheiden, welchem man folgt. Ziel ist es,
immer weiter flussaufwärts zu kommen. Das Flussbett sieht jedoch
ganz anders aus als noch in den Narrows. Hier versperren unzählige
Steine, von Kieselsteinen bis zu mannsgroßen Brocken, den Weg.
Deshalb klettern wir entweder über Steine, waten durch flache
Stellen des Flusses oder folgen einem Pfad am Ufer. Richtig schnell
kommen wir aber nicht voran.
Überraschenderweise begegnen wir auf
dem kompletten Hinweg keinem anderen Wanderer, obwohl jeden Tag 80
permits vergeben werden.
Nach etwa drei Stunden erreichen wir
die Kaskaden, eines der beiden schönen Fotomotive kurz vor der
eigentlichen Subway.
Wir machen jetzt schon einige Fotos, da auch
diese Wasserfälle bei unserem Rückweg in der prallen Sonne liegen
werden.
Direkt nach den Kaskaden liegt der
zweite lohnenswerte Stopp auf dem Hinweg: der „Crack“. Der Fluss
schießt an dieser Stelle durch einen glatten Riss im Sandstein.
Vom Crack sind es dann nur noch wenige
Minuten bis zur Subway mit seinen schimmernden Wasserpools. Das
Sandsteinufer verengt sich hier so stark, dass es über das Flussbett
ragt und so eine Art Röhre, wie bei einer U-Bahn, bildet.
Das
Flussbett hat in diesem vielleicht weniger als 100 Meter langen
Abschnitt bizarr geformte tiefe Pools, in denen sich das Wasser
sammelt und in unterschiedlichen Farben schimmert.
Wir sind um 9:30
Uhr gerade noch rechtzeitig da, denn die ersten Sonnenstrahlen suchen
schon ihren Weg in die Röhre.
Um zum Ende der Subway zu gelangen,
muss man etwa vier hüft- bis oberkörpertiefe Pools durchqueren.
Es
lohnt sich in das ziemlich kalte Wasser zu steigen, denn man wird mit
einem höhlenartigen Raum belohnt, in dem sich ein kleiner Wasserfall
befindet.
Noch glücklicher ist, wer sich mit Kamera und Stativ auf
die Schultern seines Partners setzen kann und trockenen Bauches zum
Wasserfall getragen wird!
An der Subway machen wir nach einer
ausgiebigen Pause kehrt. Wer weiter flussaufwärts wandern will,
braucht für die Überwindung des Höhenunterschieds am Wasserfall
auf jeden Fall Kletterausrüstung inkl. Seile. Erst auf dem
anstrengenden (weil nun heißen) Rückweg begegnen wir den ersten
anderen Leuten. Trotzdem werden wir bis zum Ende des Tages nur 12
andere Menschen gezählt haben. Wir fragen uns, wo die Leute mit den
68 anderen permits sind?
Wie erwartet ist am Ende der steile
Aufstieg zum Parkplatz noch eine harte Bewährungsprobe bei über 30
Grad im Schatten, zumal mit wading-sticks und -shoes und Kameratasche
und Stativ und Rucksack und Gallone Wasser. Aber nach insgesamt fast
9 Stunden und etwa 16 zurückgelegten Kilometern sind wir zwar
ziemlich müde aber mit vielen Fotos im Gepäck wieder am
klimatisierten Auto. Die Wanderung zur Subway war ein anstrengendes
Highlight zum Abschied vom Zion Nationalpark. Morgen verlassen wir
diesen vergleichsweise grünen Nationalpark und fahren zu den heißen
roten Steinen im „Valley of Fire“, unsere letzte Station vor der
vielleicht berühmtesten Oase der Welt: Las Vegas.
Fazit Tage 167, 168, 169 und 170:
Zion ist der bislang grünste
Nationalpark auf unserer Südwestentour.
Was haben wir heute gelernt? Es gibt
drei verschiedene Phasen der Dämmerung. Am Abend tritt zuerst die
bürgerliche Dämmerung ein, die noch Lesen im Freien erlaubt. Die
Sonne steht hier erst 6 Grad unter dem Horizont. Wir sind zu Beginn
der bürgerlichen Dämmerung zur Subway los gewandert. Danach folgt
die nautische Dämmerung, während der man noch den Horizont und
schon einige Sterne sehen kann (Sonne bis zu 12 Grad unter dem
Horizont). Schließlich endet die Verdunklung mit der astronomischen
Dämmerung (Sonne bis zu 18 Grad unter dem Horizont), an deren Ende
maximale Dunkelheit erreicht ist.
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