Dienstag, 19. Juli 2016

Tok nach Dawson City


Gefahrene Kilometer: 320,8.

Die Straße war das Erlebnis heute. Die Straße zum Goldfieber:

"I wanted the gold, and I sought it;
I scrabbled and mucked like a slave.
Was it famine or scurvy - I fought it;
I hurled my youth into a grave.
I wanted the gold, and I got it-
Came out with a fortune last fall,-
Yet somehow life's not what I thought it,
And somehow the gold isn't all."

(aus "The Spell of the Yukon" von Robert Service)

Ein kräftiges Frühstück im Sourdough Campground, eine volle Ladung Diesel und schon waren wir unterwegs. Kurz nach Tok biegen wir nach Norden ab, auf unsere letzte Schleife der 8.

Die erste Hälfte der Straße heißt "Taylor Highway", der zweite "Top of the World Highway". Berühmt und berüchtigte Straßen im hohen Norden. Berühmt für die Aussichten von der Spitze der Welt, so berüchtigt, dass die großen Fahrzeugvermieter in Alaska das Befahren der beiden Straßen verbietet. Auch ein Grund, warum wir unseren Camper in Kanada gemietet haben.


Im Vorfeld haben wir so allerhand gelesen, wie schwierig der Top of the World Highway, der nur geschottert ist, zu befahren sein kann. Gerade wenn es geregnet hat. Dagegen hat kaum ein Reisebericht auf die Qualität des Taylor hingewiesen.

Unserer Meinung nach ist genau das Gegenteil der Fall: Die Fahrbahn des Taylor wird bereits nach wenigen Kilometern richtig schlecht: Der Asphalt hört auf, eine unebene, schmale Schotterpiste beginnt. Eine Schotterpiste, die von unzähligen, teils tiefen, Schlaglöchern durchsetzt ist. Die auch trotz des gutens Wetters noch ordentlich mit Wasser gefüllt sind. Das bedeutet, dass wir maximal 30 km/h fahren können und von rechts nach links schwenken, um nicht jedes Schlagloch mitzunehmen. Trotzdem müssen wir gefühlt alle 50 Meter auf Schrittgeschwindigkeit herunter bremsen. Umso erstaunlicher ist für uns, dass wir einige Leute sehen, die hier mit ihren flachen Klein- oder Mittelklasse Limousinen durchfahren.


Der Beifahrer ist auf dieser Strecke jedenfalls klar im Vorteil. Wenn es nämlich darum geht, die Landschaft zu genießen. Denn die ist nämlich schön. Weite Ausblicke auf bewaldete Hügel, kleine Täler und laut rauschende Flüsse.


Ein paar Stunden nach unserer Abfahrt erreichen wir das mit Sicherheit verrückteste Dorf unserer Reise: Willkommen in "Chicken, Alaska"! 


Chicken ist eine Ansammlung von Häusern mitten im Nirgendwo. 


"Downtown" Chicken besteht aus 3 nebeneinander liegenden Läden, die alle mit einem Durchgang miteinander verbunden sind: 


Du hast die Wahl zwischen dem "Chicken Mercantile Emporium" (ein Souvenirshop), dem "Chicken Creek Saloon" (eine Kneipe, deren Decke mit Mützen und zerrissenen Unterhosen zugepflastert ist)


und dem "Chicken Creek Cafe" (eine Bäckerei mit wirklich leckerem, frisch gebackenem Kuchen!).

Im Emporium lesen wir über die Geschichte von Chicken: Das Dorf wurde so genannt, weil die ersten ansässigen Goldsucher das Wort "Ptarmigan" (die hier wild rumlaufenden Schneehühner) nicht aussprechen konnten. Also dann doch lieber Chicken. Einwohnerzahl im Winter: 15. Im Sommer ein rasanter Anstieg auf etwa 30 bis 50. Kein Telefonanschluss, kein Klo mit Toilettenspülung. 


Die Geschäfte schließen im Winter, so wie die Zufahrtsstraße. Die dann erst im April wieder geräumt wird. Willkommen in Chicken.


Oder man drückt es so aus, wie die rüstige, ältere Dame im Cafe, die uns den leckeren Kuchen verkauft hat: Sie will noch ein paar Jahre hier bleiben, sie fühlt sich noch fit. Und so lange sie gesund bleibt, kann sie auch den Winter überstehen.


Ein beeindruckendes Überbleibsel der nicht so ganz sprachgewaltigen ersten Einwohner: die "gold dredge", ein Goldbagger. Ein schwimmender Bagger, der Unmengen an Untergrund nach Gold durchwühlt hat.


Wir verlassen Chicken (das wirklich ein Besuch wert ist!) und widmen uns wieder dem rumpeligen Taylor Highway. 


Der bis zur Grenze furchtbar bleibt. Erst kurz vor der Grenzstation beginnt plötzlich ein etwa 1 Kilometer langer unfassbar glatter Asphaltstreifen. Na klar, das macht Sinn.

Wir werden etwas wehmütig. Hier müssen wir uns von Alaska verabschieden. Jedenfalls für diese Reise. Wir sind zurück im Yukon, Kanada.



Und der lässt sich nicht lumpen: Der Top of the World Highway, der direkt hinter der Grenze beginnt, ist eine gepflegte Schotterpiste, die sich besser fahren lässt als so manche geteerte Straße. Das Beste an ihr ist natürlich die Aussicht: Man fährt auf dem Bergkamm über der Baumgrenze und kann über die Hügel bis zum Horizont blicken. Bei rasend schnellen 70-80 km/h wohlgemerkt.


So vergeht nicht mehr viel Zeit, bis wir Dawson City am anderen Ufer erblicken. 


Am anderen Ufer des Yukon River, einem mächtigen Strom. So mächtig, dass hier bis heute keine Brücke steht. Wir müssen die Autofähre nehmen. Die pendelt (im Sommer) rund um die Uhr von Ufer zu Ufer.



Schon sind wir in Dawson City. Abgelegene, ehemalige Hauptstadt des Klondike-Goldrausches, des Goldrausches schlechthin. 


Wir reservieren uns einen Stellplatz im, na klar, Goldrush RV Campground und nutzen noch einmal aus, dass es nie dunkel wird.

Ein erster Spaziergang zeigt uns eine wirklich hübsche, kleine Stadt, die auch Kulisse für einen klassischen amerikanischen Western-Film sein könnte. Das erste Ziel ist natürlich die kleine Holzhütte, in der der berühmteste Goldrausch-Dichter, Robert Service, gelebt und gedichtet hat. 


Er schrieb über den Klondike-Goldrausch (ausgelöst im Jahr 1896 und 1904 praktisch schon beendet), über das karge Leben im hohen Norden und die harte, aber schöne Landschaft.

Dawson City war offensichtlich eine literarische Hochburg, den einige Straßen nebenan lebte und schrieb Jack London, der mit der ersten Welle an Goldsuchern nach Dawson kam.


Unser Abendessen nehmen wir in Klondike Kate's Restaurant ein, benannt nach einer resoluten Can-Can-Tänzerin der Goldrauschjahre. 


Hier stellen wir fest: Die Kanadier (im Gegensatz zu den Amerikanern) können gutes Bier brauen: Yukon Brewing. Mit dem passenden Werbe-Slogan: "Beer worth freezin' for". Ja, hier bleiben wir vielleicht länger...


"The summer - no sweeter was ever;
The sunshiny woods all athrill;
The grayling aleap in the river,
The bighorn asleep on the hill.
The strong life that never knows harness;
The wilds where the caribou call;
The freshness, the freedom, the farness-
O God! how I'm stuck on it all."

(aus "The Spell of the Yukon" von Robert Service)

Fazit Tag 17:


Auf Wiedersehen Alaska!



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