Sonntag, 10. Juli 2016

Valdez


Gefahrene Kilometer: 0,6.

Auf dem Rücken schwimmende Seeotter, Wasserfälle, drei Wale, stinkende Seelöwen-Kolonien, zwei verschiedene Arten von Puffins (Lunde), Weißflankenschweinswale (sehen aus wie Delfine mit plattem Gesicht), Weißkopfseeadler über dem Meer, darüber ein blauer Himmel und dahinter ein fünf Kilometer breiter und 60 Meter hoher ins Meer kalbender Gletscher.

Keine schlechte Ausbeute für einen Tag auf einem Boot. Auf der Lu-Lu Belle um genau zu sein. 


Das vergleichsweise kleine Ausflugsboot wird von ihrem bereits pensionierten Kapitän Fred Myers zielsicher in den Prince William Sound im Golf von Alaska gesteuert. Fred ist ein Unikat. Er erscheint pünktlich um 11:00 Uhr zur Abfahrzeit am Steg, begrüßt jeden der ca. 40 Gäste einzeln per Handschlag und erzählt auf der Tagestour Geschichte um Geschichte.

Was auch nicht schlecht ist: Dank des geringen Tiefgangs der Lu-Lu Belle können wir so nah an das Highlight des Ausflugs herankommen, wie kein anderes Schiff: Es geht zum Columbia Gletscher, dem bekanntesten, aber auf jeden Fall am leichtesten zu erreichende Gletscher in den Chugach Mountains.

Bei der Ausfahrt aus dem Hafen von Valdez erklärt uns Fred, warum die vielen Fischkutter noch vor Anker liegen. 


Jedes Jahr werden die zurückkommenden, laichenden Lachse gezählt. Erst wenn die Zähler mit der Menge der Schwärme zufrieden sind, bekommen die Fischer das "go" für ein bestimmtes Zeitfenster (12 oder 24 Stunden) raus aufs Meer zu fahren und zu fischen. Dabei kommen wir auch an lokalen (und dem einen oder anderen auch aus dem Fernsehen aus Serien auf D-MAX wie "Deadliest Catch" oder die Shrimp-Fischer im arktischen Meer bekannten) Berühmtheiten vorbei, die in ihren Booten im Winter im stürmischen arktischen Meer nach Shrimps suchen.


Wenig später passieren wir die große Endstation der mächtigen Trans-Alaska Pipeline. Das schwarze Gold von Valdez, das Öl, wird hier in die Frachter verladen und weiter zu den Raffinerien im südlichen USA verschifft. 


Das Öl hat dabei eine Reise von 800 (!) Meilen hinter sich. Es wird in Prudhoe Bay, nördlich des Polarkreises an der Beaufortsee, gefördert. Allerdings frieren dort im hohen Norden alle Häfen ein, sodass kein Schiff ganzjährig Prudhoe Bay anlaufen könnte. Der erste ganzjährig, eisfreie Hafen ist Valdez. Also bauen die Amerikaner einfach 800 Meilen von Pipelines quer durch Alaska und pumpen das Öl durch das ganze Land. Etwa 380 Meilen verlaufen davon unter der Erde, der Rest oberirdisch auf über 78.000 Pfeilern, die gekühlt im Permafrost-Boden versenkt wurden. Sechs Tage Reisezeit, 13 Flüsse und drei Gebirge später kommen zwischen 1,4 und 2,1 Millionen Barrel Öl täglich in Valdez an.

Solche interessanten Geschichten sind aber nur das Rahmenprogramm für die Hauptattraktionen dieser Bootsfahrt: das sind die Tierwelt und die Landschaft von Valdez. 



Bei erstaunlich geringem Wellengang genießen wir die Bergkulisse am Golf von Alaska. Mit Mütze, Handschuhen, Fleece, Jacke und heißem Kaffee kann man es auch gut ganz oben auf dem Ausguck des Bootes aushalten. Von dort sehen wir zum Beispiel gleich zu Beginn die Seeotter, die super gechillt auf dem Rücken im Meer treiben, vorbeifahrende Schiffe beglotzen und aussehen, als ob sie sich dabei den Bauch kraulen.



Walters persönliches Highlight war die Suche nach den Buckelwalen. 



Hin und wieder haben wir eine Rückenflosse aus dem Wasser auftauchen, einen Wasserstrahl in die Luft schießen und vor dem Abtauchen eine mächtige Schwanzflosse aus dem Wasser kommen sehen.




Sieht man die Schwanzflosse, weiß man, dass der Wal wieder auf Tauchgang geht. Bis zu 45 Minuten lang. Das macht es den Fotografen nicht gerade leicht, schnell ein gutes Foto zu schießen.


In den Buchten sehen wir kleine Puffins, 


übel schreiende und riechende Seelöwen 



und majestätische "Bald Eagle". 




Und dann kommen die ersten untrüglichen Anzeichen für den großen Gletscher: Eisschollen. Kleine Eisberge. Das Eis dieser Gletschersplitter schimmert in einem so klaren und starken blau, dass es sich deutlich von seiner Umgebung abhebt. 


Und aus den ersten Anzeichen wird schnell ein dichtes Eismeer, durch das sich die Lu-Lu Belle zielsicher durchmanövriert. 


Der mächtige Columbia Gletscher ist schon Meilen früher zu sehen. Bereits mit 10 Kilometern Abstand kann man seine Größe und Urgewalt erahnen. 


Dieser drittgrößte Gletscher Alaskas ist etwa fünf Kilometer breit. Beeindruckend ist jedoch, wenn man wie wir davor anhält, die blaue Wand, die sich in der Größe eines Hochhauses vor einem erhebt.


Und dann wird still gewartet. Bis es ein Knall durch die Bucht jagt und ein riesiges Stück dieses Gletschers aus dieser Wand ablöst und mit großem Getöse ins Meer fällt. 




Das Kalben der Gletscher. Es kann dann noch gut eine Minute dauern, bis die dadurch ausgelösten Wellen das Boot erreichen und die Lu-Lu Belle schaukeln lassen.





Die Rückfahrt verbringen wir bei einem typisch gesunden amerikanischen Essen (einem Chili Dog: Hot Dog mit Chili con Carne, geschmolzenen Käse und Zwiebeln überträufelt) und dem Ausblick auf eine Schule (?) von "dall's porpoises", zu deutsch das wunderschöne Wort Weißflankenschweinswale, die wie Delfine aussehen, und einige Kilometer unser Boot begleiten.


Zurück im Hafen von Valdez stellen wir fest, dass Fred uns fast zehn Stunden durch den Prince William Sound geschaukelt hat (trotz der "nur" gebuchten acht Stunden), dass die 125 US-$ p.P. eine gut angelegte Investition waren und dass uns Fred mit einem guten Gefühl und per Handschlag in den Abend entlässt.



Fazit Tag 8:

Wer hätte gedacht, dass man in Alaska Sonnenbrand bekommen kann.

UPDATE: Ein Gletscher Video-Extra...

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