Zurückgelegte Kilometer: 300
Es gibt Tage, da wacht man auf und
fragt sich, in welcher Stadt man sich gerade befindet. Heute Morgen
musste man nur die Schiebetür des Vans aufmachen, tief einatmen und
sofort war klar: Wir sind noch in Rotorua.
Aber nicht mehr lange, denn übermorgen
müssen wir schon unseren Camper in Auckland zurückgeben. Das
wiederum heißt, dass wir überlegen müssen, was wir bis dahin noch
sehen wollen. Der Besuch von Hobbingen ist eine Option.
Wahrscheinlich stellt sich jeder Neuseelandreisende, der die Bücher
von Tolkien gelesen und die Verfilmung von Jackson gesehen hat, die
Frage, ob er das Filmset in der Nähe von Matamata besichtigen soll.
Während vor ein paar Jahren von den Höhlenhäusern der Hobbits nur
spärliche Holzverkleidungen zu sehen waren, ist die Kulisse seit dem
Dreh des Vorgängerfilms erhalten geblieben. Dagegen spricht
allerdings der astronomische Preis von 75 $ pro Person für die nicht
mal zwei Stunden dauernde Führung und die Tatsache, dass man die aus
dem Film bekannten grünen Hügel in der ganzen Region um Matamata
kostenlos sehen kann. In Anbetracht des regnerischen Wetters
beschließen wir daher, lieber etwas zu sehen, was für jeden
Neuseeland ist: Kiwis. Und zwar die flugunfähigen Tiere und nicht
die Menschen.
Dafür machen wir einen kleinen Trip
nach Westen durch die grünen fetten Hobbithügel in der Nähe von
Cambridge und Matamata.
Unser Ziel ist das Städtchen Otorohanga, das
sich damit brüstet eines der besten Kiwi-Häuser im Land zu haben
und auch sonst alle möglichen Nationalsymbole in den Straßen der
Stadt ausstellt. Der „Kiwi House & Native Bird Park“ besteht
aus einem Hauptgebäude und einem kleinen umzäunten Areal mit
Rundgang. Hauptattraktion ist das Nachthaus, in dem man die
nachtaktiven, nur in Neuseeland lebenden Kiwis tagsüber beobachten
kann. Es gibt drei Hauptarten dieses Vogels: Brown Kiwi, little
spotted Kiwi und large spotted Kiwi.
Wir sehen drei herumrennende
Exemplare des Brown Kiwi und ein Riesenexemplar des large spotted
Kiwi: Atu, ein Weibchen, das, wenn es sich aufrichtet, einem Menschen
sogar bis zur Hüfte reicht.
Kiwis sind schon faszinierende
Geschöpfe. Sie haben einen langen Schnabel, wobei die Nasenlöcher
vorne an der Spitze angebracht sind. Da sie keine Flügel haben (nur
zwei kleine Stummel an der Seite), bewegen sie sich nur auf ihren
beiden kraftvollen Beinen vor. Sie können schnell laufen, aber sehen
dabei aus, als ob sie jeden Moment mit ihrem fleischigen Körper nach
vorne überkippen. Außerdem sind die Eier, die sie legen, verglichen
mit anderen Vogeleiern extrem groß.
Neben Kiwis sehen wir eine Vielzahl von
Vögeln und den Tuatara, Neuseelands lebendes Fossil. Die kleinen
Reptilien sind die einzigen noch lebenden Nachfolger der Dinosaurier.
Unter den vielen Vögeln stechen der majestätische neuseeländische
Falke, den man regelmäßig über Landstraßen fliegen sieht, die
Papageienart Kaka und das Sumpfhuhn Pukeko hervor.
Nachdem wir nun ein lebendes Exemplar
des Kiwi gesehen haben, können wir beruhigt nach Auckland
aufbrechen. Der Weg dahin führt an Hamilton vorbei, mit 130.000
Einwohnern eine Großstadt nach neuseeländische Maßstab und größte
Stadt ohne direkten Zugang zum Meer. Nach Hamilton wird der Verkehr
merklich dichter und plötzlich finden wir uns auf einer mehrspurigen
Autobahn wieder, die einen zielsicher in die größte Stadt in
Neuseeland bringt. Mit den letzten Sonnenstrahlen schaffen wir es zu
unserem Holiday Park in der Nähe des Flughafens von Auckland. Wir
sind etwas wehmütig (und zugegebenermaßen auch froh) als wir heute
das Licht in unserem Toyota ausmachen: Es ist unsere letzte Nacht im
Camper. Morgen werden wir schon in einem Hostel übernachten und den
süßen Luxus eines richtigen Zimmers genießen.
Fazit Tag 128:
Lieber Kiwi als Hobbit.
Was haben wir heute gelernt? Neuseeland
beheimatete vor langer Zeit noch eine andere Gattung von
flugunfähigen Laufvögeln: die Moas. Die meisten Moas waren wohl so
groß wie Truthähne. Es gab jedoch auch Arten, die 180kg bzw. 270kg
schwer werden konnten und deutlich größer waren als die heutigen
Kiwis. Moas hatten auf den raubtierfreien neuseeländischen Inseln so
gut wie keine Feinde, weshalb sie wohl weder ein Flucht- noch
Abwehrverhalten kannten. Das wurde ihnen zum Verhängnis als am Ende
des 13. Jahrhunderts die ersten polynesischen Einwanderer Neuseeland
erreichten und die Tiere innerhalb kurzer Zeit ausgerottet wurden.
Angeblich waren die Moas sogar bis zu 3m hoch! ;-)
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